Ein Schlag für Herrn Kaiser

■ Der Abschluss von Lebensversicherungen wird im kommenden Jahr unattraktiver

Berlin (taz) – Nein, jetzt noch schnell eine Lebensversicherung abschließen, das käme für Klaus Müller nicht in Frage. Der finanzpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen hält nicht viel von dieser Geldanlage: „Ich war früher Banker“, erzählt der 28jährige, „deshalb weiß ich, dass Lebensversicherungen für junge Leute keine gute Rendite bringen.“ Müller legt sein Geld lieber in Aktienfonds an, „das bringt mehr“.

Viele Menschen werden demnächst Müllers Beispiel folgen: Nach dem neuen rot-grünen Steuerbereinigungsgesetz müssen künftig die einmalig ausgezahlten Gewinne neu abgeschlossener Kapitallebensversicherungen besteuert werden. Diese Steuerpflicht gilt nicht, wenn aus dem Ertrag eine monatliche Rente gezahlt wird.

Im Klartext: Wer im kommenden Jahr eine Kapitallebensversicherung neu abschließt, kann den Gewinn – der frühestens in zwölf Jahren ausgezahlt wird –nicht mehr steuerfrei kassieren. Laut dem Eichelschen Gesetzentwurf dürfen die Versicherungsnehmer nur noch einen Freibetrag von 20 Prozent oder höchstens 30.000 Mark steuerfrei behalten. Der Rest unterliegt der persönlichen Einkommenssteuer des Versicherten. Wer schon eine Lebensversicherungspolice hat oder bis Dezember noch schnell abschließt, bleibt von der Neuregelung ausgenommen.

Kurzfristig dürften viele noch schnell einen Vertrag abschließen. „Das Geschäft zieht gegenwärtig an“, sagt Jürgen Merkes, Sprecher im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch vom Januar an befürchten Versicherungsleute die große Flaute, dann nämlich, wenn Finanzberater nicht mehr mit der Steuerfreiheit der Versicherungserträge werben können. „Die vom Kabinett beschlossene Regelung ist ein Anschlag auf die private Altersversorgung“, rügt Merkes.

Versicherte mit hohen Versicherungssummen könnten durch die prozentuale Anrechnung bedingt einen höheren Freibetrag geltend machen als jene, die über eine niedrigere Summe abgeschlossen haben. „Auch deshalb ist das Gesetz unsozial“, sagt Merkes. „Wer einen Vertrag mit einer nur niedrigen Summe hat, kann nur einen geringen Freibetrag geltend machen.“

80 Prozent der Arbeitnehmerhaushalte haben eine Kapitallebensversicherung. Die durchschnittliche Versicherungssumme liegt bei 60.000 Mark. Bei Fälligwerden gelten in der Regel 40 bis 50 Prozent der Auszahlungssumme als Gewinn.

Auch die Grünen stört der Schönheitsfehler mit den Freibeträgen. Finanzexpertin Christine Scheel schlägt vor, die Versicherungsgewinne nicht einmalig, sondern über mehrere Jahre gestreckt zu versteuern. „Im Kern aber wollen auch wir eine Besteuerung der Gewinne“, so Müller. Aber Arbeitsminister Riester bastelt an Plänen, künftig die Beiträge (eben nicht die Gewinne!) zur privaten Altersversorgung verstärkt steuerfrei zu stellen. BD