piwik no script img

„Wir haben von der IFA nichts“

■  Sat.1 zieht am Montag mit seiner Zentrale in die Hauptstadt, ist aber nicht auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin präsent. Interview mit Jürgen Doetz, Geschäftsführer des Privatsenders

taz: Sat.1 ist ab Montag in Berlin, die Internationale Funkausstellung IFA ist auch in Berlin. Warum sind Sie dort nicht vertreten?

Jürgen Doetz: Der personelle und finanzielle Aufwand ist zu hoch, denn die IFA hat eine Konzeption, mit der wir uns als private Fernsehanbieter schwer tun. In den achtziger Jahren ging es uns auf der IFA darum, als Sender bekannt zu werden. Das brauchen wir jetzt nicht mehr. Wenn hinterher die IFA-Veranstalter Erfolge verkünden, dann geht es meist darum, wie viele Handys oder Fernseher geordert worden sind. Davon haben wir aber nichts.

Halten Sie das IFA-Konzept, so wie es im Moment ist, für nicht mehr zeitgemäß?

Die IFA ist ein Marktplatz, auf dem versucht wird, für jeden etwas anzubieten. Vor allem aber ist es eine Veranstaltung der Geräte-Industrie, die auf der IFA Umsatz machen will. Wenn das Kaufhaus KaDeWe eine Jazzkapelle spielen lässt, um die Käufer ins Haus zu locken, müssen die Musiker dafür ja auch keine Standmiete zahlen. Unser letzter IFA-Auftritt hat fünf Millionen Mark gekostet. Das hat sich für uns nicht gelohnt.

Aber unsere Entscheidung, nicht auf der IFA präsent zu sein, ist keine Entscheidung gegen Berlin. In Köln gibt es zum Beispiel Überlegungen, eine Programm-Messe zu organisieren. Warum kann man das nicht nach Berlin holen? So etwas kann man aber nicht im Sommergarten der IFA machen, das heißt, es muss über ein neues Medienmesse-Konzept nachgedacht werden.

Am Montag eröffnet Sat 1.seine neue Zentrale in der Hauptstadt. Was hat Sie zum Umzug bewogen?

Das ist für uns ein zukunftsweisendes Ereignis. Nach 15 Jahren, in denen Sat.1 an drei verschiedenen Standorten produziert hat, sind wir nun unter einem Dach versammelt. Das ist eine entscheidende Voraussetzung, um die Aufgaben, die vor uns liegen, zu bewältigen.

War also das Motiv der inneren Einheit des Senders stärker als der „Sog der Hauptstadt“, von dem mitunter gesprochen wird?

Dass Berlin Hauptstadt ist, war für unseren Umzug die politische Voraussetzung. Der Standort-Wettbewerb im Medienbereich ist sehr stark. Dieser wird insbesondere von Bayern und Nordrhein-Westfalen (NRW) forciert. Ohne den Hauptstadtbonus hätte uns die Politik in den anderen Ländern sicher nicht so einfach ziehen lassen. Wir sind aber nicht wegen besonderer Förderungen oder besonders günstiger politischer Bedingungen nach Berlin gegangen.

Wie beurteilen Sie die Berliner Medienpolitik?

Berlin hat sich medienpolitisch in den vergangenen Jahren zurückhaltend gezeigt. Die Matadoren saßen in München, Düsseldorf und Mainz. Wir hätten uns da schon mehr Engagement gewünscht, vor allem, wenn man bedenkt, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten der Region, SFB und ORB, nicht gerade Flaggschiffe in der Berliner Medienlandschaft sind. Die dümpeln am unteren Ende herum – die Mehrheit der Berliner schaut privat. Darüber hinaus gibt es eine große Vielfalt in der Berliner Medienlandschaft, und diese muss sich künftig auch in der Senatspolitik niederschlagen.

Was läuft an anderen Standorten besser?

Da gibt es, was Rundfunkstaatsverträge betrifft, einen regelmäßigen Interessensaustausch. Das heißt nicht, dass die Staatskanzleien auf Knopfdruck funktionieren, wenn da ein Privater mit einer kleinen Ansiedlung lockt, aber man hat die Chance, regelmäßig auf die Gesetzgebungsverfahren Einfluss zu nehmen. In Berlin hat man – ich formuliere das mal positiv – die Prioritäten bisher anders gesetzt.

Was vermissen Sie konkret in der Hauptstadt?

Wir haben derzeit die Diskussion um die Förderung von Film- und Fernsehproduktionen. In NRW und Bayern werden weit mehr Fördergelder zur Verfügung gestellt. Wir sind nicht auf Subventionen scharf, aber die Politk muss die Medienbranche endlich als eine Industrie begreifen, die Arbeitsplätze schafft. In der Medienpolitik geht es nicht um Kultur-, sondern um Wirtschaftsförderung. Da hat Berlin-Brandenburg Nachholbedarf. Man muss in Berlin und Potsdam den Interessen der Medienindustrie gerechter werden, indem Bürokratie abgebaut wird. Vielleicht sollte auch in Berlin – wie in NRW – eine Art medienpolitischer Generalmanager benannt werden. Dieser Verantwortliche könnte die Entscheidungswege verkürzen und den Kontakt zu den Banken organisieren.

Der Stellenwert der ganzen Berliner Medienlandschaft muss deutlich angehoben werden. Das Berlin-Gefühl, alle müssen ohnehin in die Hauptstadt, ist trügerisch. Manchmal begegnet einem die Haltung: Der soll froh sein, dass der überhaupt hier sein darf.

Gibt es solche Verhaltensweisen in anderen Städten nicht?

Man wird hier und da mit noch offeneren Armen empfangen.

Interview: Richard Rother

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen