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Ein Zwergstaat als Sondermülldeponie

Jahrzehntelang testete die US-Armee in Panama Waffen, darunter angeblich auch biologische und chemische Kampfstoffe. Jetzt fordert das zentralamerikanische Land Entschädigung  ■   Aus Washington Peter Tautfest

Wer kommt für das Wegräumen von Gift- und Sprengstoff auf, wenn am 31. Dezember dieses Jahres vertragsgemäß die letzten US-amerikanischen Truppen Panama verlassen. Um diese Frage und um die, was da alles in dem Landstreifen entlang des Panamakanals als US-Hinterlassenschaft lagert, ist es zwischen der kleinen Republik Panama und den mächtigen USA zu einem Streit gekommen. Neue Nahrung bekommt er durch den Verdacht, dass die USA in den 60er-Jahren mit dem dioxinhaltigen Entlaubungsgift Agent Orange in Panama experimentiert haben. Für Panama geht es um 500 Millionen Dollar, die das Land als Schadenersatz und dafür haben will, dass es hinter den USA aufräumt.

Panama schloss 1977 mit der damaligen Regierung Carter einen Vertrag ab, der die Rückgabe der eigentlichen Kanalzone sowie dessen Säuberung von gefährlichem Erbe festschrieb. Zu ersten Streitigkeiten kam es, als Panama behauptete, seit 1979 – als die Rückgabe begann – seien 21 Menschen von explodierender US-Munition getötet worden. Nur 11 Menschen seien umgekommen, konterte das Pentagon, und zwar beim Buddeln nach Altmetall in Sperrgebieten.

Zum US-amerikanischen Nachlass in Panama zählen Munition und Blindgänger sowie bakterielle und chemische Kampfstoffe. Laut Rick Stauber gehören dazu Uranmunition, Senfgas und das in Vietnam eingesetzte Agent Orange. Stauber sollte eigentlich im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums die Inventarisierung der gefährlichen Stoffe vornehmen, wechselte aber auf die panamaische Seite, als das Pentagon versuchte, seine Ermittlungsergebnisse zu unterdrücken.

Zu Giftgas hat Panama ein intimes Verhältnis. Der Kanal wurde am Vorabend des Ersten Weltkrieges fertig, in dessen Senfgasschlachten die US-Truppen völlig unvorbereitet zogen. Nach dem Krieg begannen die USA mit dem Aufbau eines chemischen Arsenals, das vorzugsweise in Panama getestet wurde. Während des Zweiten Weltkriegs suchten die USA ein Terrain, das dem pazifischen Kriegsschauplatz ähnelte, und veranstalteten in Panama mit Großbritannien und Kanada Giftgasmanöver. Nach 1945 testete die US-Armee in Panama B- und C-Waffen wie die nach Kuba eingeschleuste Schweinepest und einen venezolanischen Virus.

Die US-Regierung bestreitet, je Agent Orange in Panama getestet zu haben. Bei der Zeitung Dallas Morning News aber meldete sich ein Gewährsmann, der von 1968 bis 1973 in Panama stationiert war und Zeuge von Tests mit Agent Orange war. John Lindsey-Poland von der Friedensgruppe Fellowship Of Reconciliation in San Francisco, der unter dem Titel „Reagenzglas Panama“ die bisher umfangreichste regierungsunabhängige Untersuchung über B- und C-Waffen in Panama angestellt hat, kann den Einsatz von Agent Orange bisher nicht nachweisen, will ihn aber auch nicht ausschließen. Das Pentagon gibt zu, dass es nicht die gesamte Fläche Panamas von allen gefährlichen Stoffen säubern kann, denn, so ein Sprecher: „Das überschreitet selbst unsere technischen Möglichkeiten.“

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