American Pie
: Drugs, lies & videotape

■ Videobänder beweisen, dass die NFL Doping und Drogenmissbrauch vertuscht

When I read about his widowed bride

Der erste Spieltag der National Football League (NFL) steigt zwar erst am 12. September, aber schon jetzt gibt es die ersten Ausfälle zu beklagen. Am Montag starb im Alter von 67 Jahren Fritz Shurmur, Defensive Coordinator der Seattle Seahawks, der als einer der genialsten Köpfe des Sports galt. Kurz darauf musste Chris Spielman, einer der besten Verteidiger der Football-Geschichte, geplagt von Halswirbelproblemen seinen Rücktritt erklären. Der 33-Jährige von den Cleveland Browns war in einem Vorbereitungsspiel von einem Gegner so gerammt worden, dass er kurzzeitig gelähmt war.

So was gehört in der NFL allerdings zum Tagesgeschäft – schwere Verletzungen wie die von Spielman tragen als herb-männliches Verkaufsargument eher bei zum NFL-Mythos.

Ein Problem hat die auch deswegen finanziell erfolgreichste Profiliga kurz vor ihrem Saisonbeginn trotzdem: Es besteht aus insgesamt 40 Stunden Videobändern, die der New York Times zugespielt wurden. Auf ihnen wird die jährliche Versammlung der NFLPA, der Gewerkschaft der NFL-Profis, auf Maui (Hawaii) dokumentiert. Die Videos wurden für eine Selbstdarstellung der Gewerkschaft aufgenommen, sollten aber nie ungeschnitten in die Öffentlichkeit gelangen.

Neben eher kleinlichen Streitereien und den in solchen Organisationen wohl allgemein üblichen Ränken und Intrigen enthüllen die Videos vor allem eine Tatsache: Ausgerechnet die NFL, die große Stücke auf ihre Antidrogenpolitik hält, hat in Absprache mit der Spielergewerkschaft positive Doping- und Drogentests vertuscht.

Doug Allen, damals wie heute Vizepräsident der Gewerkschaft, sagt auf dem Band, dass man in Verhandlungen mit der NFL erreicht habe, dass mehrere positive Spieler nicht gesperrt würden.

Am Montag hat auch die NFL den Vorfall aus dem Jahr 1993 offiziell bestätigt und konkretisiert, dass es sich um 16 Profis handelte, von denen heute nur noch ein einziger aktiv ist. Alle Ertappten wurden zu Therapien verdonnert.

Die Liga reklamiert, dass sie die Fälle vertuscht hat, damit die Gewerkschaft der neuen, schärferen Drogenabmachung zustimmt, die damals verhandelt wurde und 1995 in Kraft trat. Die ist, das muss man allen Beteiligten zugute halten, tatsächlich die modernste im Profisport weltweit. Im Gegensatz zum Baseball, wo sich Spieler wie Homerun-King Mark McGwire ganz legal mit dem Anabolika-Vorläufer Androstenedione dopen, hat die NFL nicht nur eine längere Verbotsliste, sondern auch einen avancierten Maßnahmenkatalog, in dem Therapie vor Strafe gestellt und der Aufenthalt in Entzugskliniken sogar finanziell unterstützt wird. Allerdings sollte sich die NFL wohl mehr Gedanken um einen recht alltäglichen Stoff machen. „Um ehrlich zu sein: Das größte Problem, das wir haben“, so Allen 1995 auf Maui, „sind weder Marihuana noch Kokain, sondern Alkohol.“ Thomas Winkler