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Wasserprivatisierung vor Gericht

Dem Senat könnte heute eine neue Pleite ins Haus stehen: Der Teilverkauf der Wasserbetriebe wird vor dem Verfassungsgericht verhandelt    ■ Von Richard Rother

Die Flughafenprivatisierung ist bereits gerichtlich gestoppt worden, möglicherweise handelt sich der Senat heute vor Gericht eine zweite Pleite ein. Denn jetzt wird der Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe (BWB) vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Das Gericht muss entschieden, ob der 3,1-Milliarden-Deal des Senats mit dem Konsortium um RWE/Vivendi den Grundsätzen der Landesverfassung genügt.

Die Bündnisgrünen und die PDS sind anderer Ansicht. Sie halten das Gesetz zur Teilprivatisierung der BWB, das das Abgeordnetenhaus im Frühsommer verabschiedet hat, „in weiten Teilen für verfassungswidrig“ und haben deshalb geklagt. Die Verhandlung ist auf nur einen Tag angesetzt. Ob das Urteil aber heute oder erst in den nächsten Tagen verkündet wird, ist noch unklar.

Die beiden Oppositionsparteien sind der Ansicht, dass die Erhöhung der Wasserpreise um bis zu 30 Prozent, die nach 2003 möglich ist, nicht verfassungskonform ist. Bis dahin ist eine Preiserhöhung vertraglich ausgeschlossen. Darüber hinaus verstoße das Gesetz und die darauf aufbauenden Verträge gegen die Finanzverfassung und das Demokratiegebot. „Brisant ist außerdem, dass es sich um einen Präzedenzfall für die gesamte deutsche Wasserwirtschaft handelt“, sagt Vollrad Kuhn, der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Fraktion. Der BWB-Teilverkauf – 49,9 Prozent der Anteile gehen an den privaten Investor – sei das bisher größte Privatisierungsvorhaben in der Branche. Grundsätzlich geht es also auch darum, inwieweit die Wasserversorgung der Bevölkerung privatwirtschaftlichem Gewinnstreben unterworfen wird. „Wir hoffen auf einen Teilsieg“, sagt Kuhn.

Beanstandenswert sei, so Kuhn, insbesondere die Höhe der Verzinsungsregel in dem Vertragswerk, das einen ganzen Ordner umfasst. Die Teilprivatisierung stellt nach Ansicht der Kläger kein Verkaufsgeschäft, sondern eine verfassungswidrige verdeckte Kreditaufnahme dar. Zwar würden dem Landeshaushalt große Teile des Verkaufserlöses zugeführt, dies sei aber lediglich vorübergehender Natur. Denn dieser Kaufpreis werde über die hohen Verzinsungsregelungen zugunsten des privaten Investors Schritt für Schritt über die Wasser- und Abwassertarife zurückgewährt. Nach bisherigem Recht steht die Verzinsung des Eigenkapitals allein dem Land Berlin zu, nach neuem Recht profitiert davon auch der private Investor. Langfristig geht somit dem Land der Liquiditätsvorteil durch den Verkaufserlös wieder verloren.

Sollte das Gericht diesen Passus beanstanden, hätten Senat und Abgeordneten allerdings die Möglichkeit, das Gesetz den eventuellen Vorgaben des Gerichtes anzupassen. „Die Frage ist, ob die Investoren da mitspielen“, sagt Kuhn. Den Schaden habe in jedem Fall das Land zu tragen, denn aus dem Privatisierungsgeschäft komme es nicht mehr heraus. Sinnvoll wäre es gewesen, eine entsprechende Rückabwicklungsklausel im Vertrag festzuschreiben. „Aber dann hätte man keinen so hohen Verkaufserlös erzielen können“, sagt Kuhn. Das Land habe mit hohem Risiko nur aus Haushaltsgründen verkauft, so Kuhn. Besonders pikant daran: Obwohl noch die Kartellbehörden der Privatisierung zustimmen müssen, ist der Verkaufserlös längst im Haushalt verplant.

Wie Kuhn ist auch der Fraktionschef der PDS, Harald Wolf, optimistisch. Zwar habe das Verfassungsgericht im Juni eine einstweilige Verfügung gegen das Gesetz abgelehnt – „aber nur aus formalen Gründen“, so Wolf. Dies bedeute keine Vorwegnahme in der Hauptsache, die Klage werde vom Gericht sehr ernst genommen. Das Gericht sah im Juni keinen Anlass, die Privatisierung zu stoppen, da diese ohnehin erst mit der Entscheidung der Kartellbehörden im Herbst rechtskräftig werde.

Nach Wolfs Ansicht verletzt das Privatisierungsgesetz das verfassungsrechtliche Demokratiegebot. Der Grund: Die BWB als Anstalt öffentlichen Rechts, die öffentliche und zum Teil hoheitliche Aufgaben zur Daseinsvorsorge der Bevölkerung wahrzunehmen habe, gerate unter die Weisungsbefugnis eines Privatkonzerns. Dieser entbehre aber jeglicher demokratischer Kontrolle. Hintergrund ist die geplante zukünftige Konzernkonstruktion. Die BWB soll einer privatrechtlichen Holding unterstellt werden. Deren Weisungsrecht erstreckt sich auf alle Entscheidungskompetenzen der BWB, zum Beispiel auf die Personalangelegenheiten. Auch der Aufsichtsrat kann nur auf Vorschlag des Privatkonzerns besetzt werden.

Allerdings zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit, dass die Frage, welche Art öffentlicher Dienstleistung auch als öffentliche Aufgabe angesehen wird, den Änderungen des Zeitgeistes unterworfen ist. Ein Beispiel: Früher galten Telefon- und Fernmeldewesen – auch aus sicherheitspolitischen Gründen – als hoheitliche Aufgabe. Heute freuen sich alle, dass sich private Telefonanbieter einen Preiswettbewerb liefern.

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