Schattenmänner mit üblem Image

Von Vereinspräsidenten werden die Spielervermittler als „Blutsauger“ verabscheut, viele Fußballer schätzen sie als unverzichtbare Interessenvertreter  ■   Von Klaus Teichmann

Berlin (taz) – Werner Leuthard, Fitnesstrainer in Diensten des Spielervermittlers Jürgen Schwab, hält Sean Dundee für einen „genetischen Rohdiamanten“. Und Rohmaterial gilt es eben zu veredeln, um das Fertigprodukt dann möglichst teuer verkaufen zu können. Kurz vor dem Trainingsauftakt der meisten Fußballbundesligisten trimmte Leuthard neun Kicker aus den unterschiedlichsten Vereinen eine Woche lang auf einem entlegenen Sportplatz in der schwäbischen Provinz. Gemein ist Sean Dundee, Fredi Bobic, Michel Dinzey und den anderen sechs Athleten neben dem beruflichen Status „Profifußballer“ in erster Linie eines – ein Vertrag mit dem gleichen Spielerberater. 15 Kicker hat Jürgen Schwab unter seiner Obhut. Der Verzicht auf eine Urlaubswoche zu Gunsten einer kollektiven Sonderschicht stellt eine weitere Entwicklung in der Ära der Spezies „Spielervermittler“ dar.

Jürgen Sparwasser, Präsident der Spielergewerkschaft VdV, sieht dies gelassen: „Wenn sich der Vermittler darum kümmert, dass die Jungs fit ins Training kommen, ist das in Ordnung.“ Grundsätzlich sieht Sparwasser, besser bekannt als Torschütze des Sieg bringenden Treffers des realsozialistischen Deutschlands gegen den benachbarten Klassenfeind bei der WM 1974, in der Praxis der Spielervermittler jedoch sehr wohl Handlungsbedarf. Drei bis vier Anrufe besorgter Eltern, „die sich vor den Spielervermittlern nicht mehr zu retten wissen“, gingen wöchentlich in der Frankfurter VdV-Zentrale ein. Jüngst wurde der Fall eines 13-Jährigen aus Rostock bekannt, der von den Agenten belagert wurde. Mit der Hoffnung auf eine lukrative Profikarriere werden die Talente unter Vertrag genommen und den Profiklubs meistbietend angeboten – je höher die Vertragssumme, desto ausgiebiger kassiert der Vermittler mit. Viel Geld, Ruhm und Ehre vor Augen, ziehen die Nachwuchskikker da hin, wo sie ihre Berater auf dem Markt platziert haben – neben dem Verzicht auf Schulabschluss, Ausbildung und gewohntes Umfeld bleibt meist nur große Depression, wenn in der Fremde zusätzlich das Schussglück fehlt.

Ein Modellentwurf, um Spielertransfers von den einzelnen Ligen selbst organisieren zu lassen, gibt es von der VdV schon seit langem – bis dato vom DFB jedoch weitgehend stiefmütterlich behandelt. Eine zentrale Transferstelle ist das Stichwort des Verbandes der Vertragsspieler. „Sie könnte von der Liga bezahlt werden, mit drei, vier Leuten Spieler in allen Fragen beraten und somit Aufgaben übernehmen, die sich andere wesentlich teurer bezahlen lassen“, skizziert Sparwasser das Modell. „Außerdem würden wir damit Dinge kontrollierbar machen, die derzeit kaum kontrollierbar sind.“ Doch vom Dachverband DFB, der eine zentrale Transferstelle durchsetzen müsste, kam bis dato wenig.

Unter der Präsidentschaft von Sparwasser scheint die bei seinem Amtsantritt vorgefundene „Eiszeit zwischen DFB und VdV“ zwar überwunden, doch außer einem Vorstoß von Ligapräsident Gerhard Mayer-Vorfelder kam zum Vorschlag der VdV immer noch nichts Konstruktives. Ausgerechnet der Stuttgarter Multifunktionär, als DFB-Vize und CDU-Rechtsaußen nicht unbedingt leicht für progressive Ideen zu begeistern, griff die Debatte um die vereinheitlichende Transferstelle auf. „Das war ein überraschender Vorstoß von Mayer-Vorfelder“, wunderte sich auch Sparwasser: „Ich war perplex, das gerade von ihm zu hören.“

Verwunderlich mutet das jedoch nur beim ersten Hinsehen an. Immerhin gibt Mayer-Vorfelder seit einem Vierteljahrhundert beim Bundesligisten VfB Stuttgart den „großen Vorsitzenden“, und als präsidialem Patriarchen setzt auch ihm die Zunft der Spielervermittler immer mehr zu. Potenzielle „Erpresser“ will er gar bei den Vermittlern erkannt haben. Immer stärker klagen die Vereine, dass ihnen von den ausgebufften Beratern „die Hosen ausgezogen werden“ (Sparwasser).

Das Image der Spielervermittler ist schlecht. „Schattenmänner der Liga“, titelt die Sport-Bild, von „Leuten, die meist im Verborgenen einfädeln“, wird in der Stuttgarter Zeitung geschrieben. „Maden im Speck“, lässt sich Uwe Seeler zitieren, „Scharlatane und Blutsauger“, soll der Präsident des FC Aarau geäußert haben. Der sonntag aktuell schreibt von „Herrschaften, die die Hand fürs Nichtstun aufhalten“ – das abstrakte raffende Kapital statt des ehrlich schaffenden am Werk.

Während der Arbeit gebende Verein einst im Vertragspoker deutlich die Lufthoheit gegenüber den oftmals in Belangen wie beispielsweise Vertragsrecht wenig beschlagenen Kicker hatte, beginnt sich das Kräfteverhältnis nun langsam zu verändern: Ohne Berater setzt sich kein Profi mehr an den Verhandlungstisch, ohne Spielervermittler lässt sich kein Neuzugang mehr verpflichten. „Weil du Gefahr läufst, dass dich die Vereinsbosse über den Tisch ziehen“, sagt der Fußballer Marc Ziegler nach seinem Weggang von Gerhard Mayer-Vorfelders VfB Stuttgart.

In Deutschland gibt es 50 offizielle „Fifa Players' Agents“, weltweit knapp 500 – für eine bei der Fifa hinterlegte Kaution von 200.000 Schweizer Franken und einige Prüfungsfragen gibt's das Zertifikat. In der Praxis kann man jedoch auch bereits mit der Vorstufe spielervermittelnd tätig werden. 1.000 Mark Bearbeitungsgebühr und ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt das Arbeitsamt für die „Arbeitserlaubnis zur Vermittlung von Vetragsspielern“. Mit einem Rechtsanwalt lassen sich auch so gültige Verträge machen. Dass damit offizielles Fifa-Recht unterlaufen wird, ist da oft von untergeordneter Bedeutung – vor allem wenn dem Verein „eine Granate angeboten wird“, wie Sparwasser betont.

Einer der renommiertesten Spielervermittler heißt Norbert Pflippen, kommt aus Mönchengladbach und nennt sich auf seiner Internet-Homepage niedlich „Flippi“. Auf einer Liste lassen sich bei „Flippi“ die bei ihm unter Vertrag befindlichen Fußballer anklicken – mit der Möglichkeit, bei besonderem Interesse an einem Mann interaktiv tätig zu werden. „Man begegnet sich im Leben immer zweimal“, nötigt der seit 1974 tätige Spielervermittler dem visuellen Besucher sein Lebensmotto auf und beweihräuchert sich auch ganz gern einmal selbst: Wie Lothar Matthäus, seit Jahrzehnten „Flippis“ bestes Pferd im Stall, einmal den Versuch von Inter Mailand ausschlug, einen Wechsel an Pflippen vorbei zu dealen, lässt sich beispielsweise stolz in der Eigendarstellung nachlesen.

Frankfurts Präsident Rolf Heller sah sich vor einigen Wochen genötigt, Pflippens Praktiken als „riesige Sauerei“ zu geißeln. Pflippen soll seinen Klienten, dem bei der Eintracht unter Vertrag stehenden chinesischen Mittelstürmer Chen Yang, ligaweit bei der Konkurrenz feilgeboten haben. „Was da abging, hatte nichts mehr mit Seriosität zu tun“, echauffierte sich Heller und drohte mit einer Anzeige bei der Fifa. Arg lang konnte Heller Pflippen dann aber nicht grollen: Wenige Tage später wurde bei Eintracht Frankfurt die Verpflichtung von Nationalspieler Horst Heldt bekannt gegeben – ebenfalls bei Pflippens Agentur unter Vertrag. Man scheint sich im Leben doch immer mehrmals zu sehen.