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Kartellamt geht ein Licht auf – Billigstrom für alle

■  Erstmals verdonnert das Bundeskartellamt einen Energieversorger, seinen Kundinnen und Kunden preiswerteren Strom der Konkurrenz zu liefern

Berlin (taz) – Alle VerbraucherInnen haben ein Recht auf billigen Strom – theoretisch. Gestern tat das Bundeskartellamt einen entscheidenden Schritt, dieses Recht auch praktisch durchzusetzen. Die Behörde, die den freien Wettbewerb schützen soll, verdonnerte den Berliner Energieversorger Bewag, Strom von Konkurrenten durch seine Leitungen zu den VerbraucherInnen zu schicken. „Auch Berlin ist kein Refugium für Monopolisten“, sagte Dieter Wolf, der Präsident des Bundeskartellamtes.

3,4 Millionen BerlinerInnen und alle Unternehmen der Stadt dürfen sich nun darauf freuen, dass ihre Stromrechnung sinkt. Auch bundesweit hat die Entscheidung große Bedeutung: Alle KundInnen können sich fortan auf das Kartellamt berufen. Denn viele örtliche Stromversorger weigern sich bislang, den Saft der Konkurrenz in ihre Netze zu lassen. Damit dürfte bald Schluss sein. Die Bewag kann zwar klagen, wird die Öffnung des Strommarktes dadurch aber nur noch hinauszögern.

Bis zu einem Drittel Fremdstrom dürfen die Berliner StromkundInnen nun einkaufen – aus Nürnberg, Stuttgart oder Schweden, von wo sie wollen. Das senkt die jährliche Rechnung um 50, 100 oder auch 200 Mark – je nach Stromverbrauch des Haushalts. Bislang hatte sich der hauptstädtische Energieversorger stur gestellt: keine Durchleitung, nirgends.

Das erstaunlich simple Argument: Die Starkstromleitung nach Westdeutschland sei voll, mehr Strom passe nicht durch. Kein Mauer-Scherz: Die Bewag und auch der Berliner Senat brachten gewichtige technische und juristische Begründungen vor. Die hat das Kartellamt nun im Wesentlichen ins Reich der Monopol-Märchen verwiesen.

Die Wettbewerbshüter beschäftigten sich mit der Durchleitung von Strom, weil die Unternehmen RWE, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Vasa-Energy Beschwerde gegen das Verhalten der Bewag eingelegt hatten. Sie wollen Industriekunden, ein Großkino am Potsdamer Platz und einen aufmüpfigen Privatverbraucher von außen mit Elektrizität versorgen. Doch die Bewag stellte sich quer. Nun heißt es: Leitungen auf, ab 4. Oktober.

Auch sonst geht es rund in der Energiebranche. Innerhalb weniger Wochen hat der Branchenführer RWE gestern zum zweiten Mal den Preis für Privatkunden gesenkt – auf 25,9 Pfennig. Gegenseitig versuchen sich die Konzerne die mündigen StrombürgerInnen abzujagen. Spitzenreiter im Rennen um den niedrigsten Preis pro Kilowattstunde ist noch EnBW mit rund 19 Pfennig. Zustande kommt dieser Preis durch den hohen Anteil billigen Atomstroms unter anderem aus französischen Kernkraftwerken. PreussenElektra aus Hannover kündigte gestern ebenfalls einen Billigtarif an.

Kein Preiskampf ohne Fusionspläne: Es ist nur noch eine Frage von Wochen, dass aus den Konzernen Veba (Düsseldorf) und Viag (München) der größte Stromversorger der Republik entsteht. In Europa würde der Gigant hinter dem französischen Konzern EdF auf Platz zwei stehen. „Ich bin guter Hoffnung“, sagte Viag-Chef Wilhelm Simson gestern nach einem Gespräch mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU).

Der Freistaat Bayern hat als Eigentümer von 25,1 Prozent der Viag ein Wörtchen mitzureden und will, dass das Stromgeschäft weiterhin in München angesiedelt bleibt.

RWE und EdF machen der süddeutschen EnBW Fusionsavancen. Die Zusammenschlüsse der Stromriesen sollen mittels Personaleinsparungen die Gewinneinbuße kompensieren, die Liberalisierung und Preissenkungen verursachen. Hannes Koch

Berichte Seite 9

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