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Zehn Jahre im Dialog mit den Völkern der Erde

Die Gründung des in Deutschland einmaligen Hauses der Kulturen der Welt gilt als eine der Sternstunden der Berliner Kulturpolitik. Statt Eurozentrismus wird im ehemaligen Kongresszentrum der Blick über den Tellerrand groß geschrieben    ■ Von Ulrich Clewing

Es war eine der Sternstunden der Berliner Kulturpolitik. Am 9. Juni 1988 beschloss das Abgeordnetenhaus, eine Institution ins Leben zu rufen, die sich dem „kontinuierlichen Dialog zwischen der Bundesrepublik und den Kulturen anderer, in erster Linie nichteuropäischer Völker“ widmen solle. Wenig später gab der Hauptausschuss des Parlaments seine Zustimmung, und der Gründung des Hauses der Kulturen der Welt stand nichts mehr im Weg. Ein geeigneter Ort war schon gefunden: die ehemalige Kongresshalle an der John-Foster-Dulles-Allee im Bezirk Tiergarten.

Im Januar 1989 nahm das Haus der Kulturen der Welt (HKW) unter der Leitung von Generalsekretär Günter Coenen, der wie die meisten anderen Mitarbeiter vom Goethe-Institut gekommen war, seine Arbeit auf. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im ersten Jahre machte das HKW mit Schwerpunktprogrammen etwa zur Türkei und Südafrika auf sich aufmerksam. Bei der ersten „Perkussionale“ etwa, im Oktober 1989, traten Trommler aus aller Welt auf, im Dezember folgte die Kinoreihe „Caméra d'Afrique“, bei der das HKW erstmals in Deutschland Autoren- und Unterhaltungsfilme aus Burkina Faso, Madagaskar, Tunesien, Mauretanien, Mali, Niger, Zaire (dem heutigen Kongo) sowie der Elfenbeinküste zeigte.

Weiter ging es mit Ausstellungen wie „Der geraubte Schatten – Das Bild fremder Kulturen in der westlichen Fotografie von 1839 bis 1939“, eine Schau mit Beständen des Berliner Völkerkundemuseums, die durch Fotoserien zu den Themen „Rassismus in Deutschland von 1888 bis ?“ und „Der Afrikaner im Kinder- und Jugendbuch“ ergänzt wurden.

Die Ansprüche der Macher des Hauses der Kulturen der Welt an sich selbst waren von Anfang an hoch gesteckt. Nicht tourismuskompatible Folkloreshows, sondern Spitzenleistungen der jeweiligen Kulturkreise sollten präsentiert werden. Dass es dabei auch zu Auseinandersetzungen mit den in Berlin ansässigen Communities kam, war unausweichlich. Zwar lassen sich die Leute vom HKW bei der Auswahl des Programms so weit wie möglich von Experten vor Ort beraten, doch das letzte Wort haben immer sie. Ein grundsätzlicher Konflikt, der ihre Arbeit bis heute begleitet. Das schmälert nicht den Stellenwert des Hauses: 1993 beispielsweise zeigte man die Ausstellung „China Avantgarde“. Es war das erste Mal, dass aktuelle chinesische Kunst im Westen zu sehen war – eine regelrechte Offenbarung.

Diese Premiere hatte programmatischen Charakter. Vietnam, Brasilien, die afrikanischen Länder: Die Verschiebung der Perspektive, die Sicht auf das, was außer der West-Kunst sonst noch existiert, ist eine der herausragenden Leistungen des HKW. Als noch vor drei Jahren im Martin-Gropius-Bau die europafixierte „Epoche der Moderne“ gefeiert wurde, hielt das HKW mit den „anderen Modernen“ dagegen und präsentierte Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus Afrika, Asien und Lateinamerika.

Die Suche nach dem Anderen gilt spartenübergreifend. Seit September 1994 beispielsweise sendet aus der alten Kongresshalle Radio Multikulti sein Programm in Kooperation mit dem SFB – auch das eine in der Bundesrepublik einzigartige Einrichtung.

Auf der anderen Seite hat das HKW von Anfang an mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Ein Jahr nach seiner Gründung fiel die Mauer: Aus der Randlage im alten West-Berlin wurde plötzlich ein zentral gelegenes immobiles „Filetstück“. Das weckte Begehrlichkeiten, derer sich das Haus der Kulturen der Welt nicht immer erwehren konnte. Seit vier Jahren ist dort – direkt am Eingang – der Besucherdienst des Deutschen Bundestages untergebracht, ein Fremdkörper, der bei vielen Gästen des HKW für Verwirrung und Irritationen sorgt.

Ähnlich problematisch stellt sich die Finanzierung des HKW dar. Der für eine Einrichtung dieser Größe vergleichsweise niedrige Etat von knapp 14 Millionen Mark kommt aus unterschiedlichsten Quellen, die mal mehr, mal weniger zahlungswillig sind. Das Land Berlin etwa, das 3,6 Millionen Mark beisteuert, würde sich lieber heute als morgen aus dem Kreis der Finanziers verabschieden. Dabei ist das Haus der Kulturen der Welt wichtiger denn je, gerade jetzt, wo ringsum das neue Regierungsviertel entsteht. Denn dort wird in Zukunft eines mit Sicherheit gebraucht: eine Einrichtung, die Internationalität garantiert.

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