: Willkommen im Logo-Land
Fußball ist für Sponsoren das ideale Instrument, Sympathien zu wecken – wie die Funkausstellung in Berlin zeigt, fallen die Pflichttermine der Kicker allerdings oft blutleer aus ■ Von Rüdiger Barth
Das Geld, der Held und die Welt – es schwitzt stark, das Image des FC Bayern München. Aber Lampenfieber kann es nicht sein, die Bayern kennen ja Sponsoringauftritte. Es sind die Lampen des Messestandes, die so brennen. Ein Image bei der Arbeit: Uli Hoeneß mahlt mit den Kiefern, Mehmet Scholl albert herum, und Paulo Sergio lächelt weise.
Die drei wissen, wie man einen auf Repräsentativ macht: launig antworten, wenn der Talk-Clown fragt, und dann den Willi auf Bälle kritzeln. Drumherum recken sich Hälse und balgen sich Finger um Autogramme. Das ist der Wille des Sponsors Viag Interkom auf der Internationalen Funk-Ausstellung (IFA) in Berlin, das ist die Pflicht der gesponserten Bayern.
Sponsorzeit, Rumstehzeit. Denn zu sagen gibt es im Grunde nichts. Hoeneß empfiehlt „natürlich Viag-Aktien“, aber das verhallt, denn da ist das Mikro schon bei Scholl. Ganz lässig demonstriert der, wie souverän Sponsoring sein kann. Er habe kein Handy, ulkt er, „mich ruft ja eh keiner an“. Natürlich lachen alle. Bingo: Die Falle schnappt zu. Anke Huber in Milchschnitte beißen zu lassen war noch Werbesteinzeit. Die Gegenwart soll Glaubwürdigkeit verströmen, und manchmal gelingt das sogar.
„Die Leute sind doch nicht bekloppt“, sagt Thilo Huys, PR-Manager von Viag Interkom. „Man kann ihnen keinen Blödsinn mehr vorgaukeln.“ Scholl darf also witzeln; es genügt ja, wenn er demnächst mit einem Handy am Ohr zu sehen ist und sich dahinter wie zufällig die passende Bande lümmelt. „Nur das Subtile greift noch“, sagt Huys.
Nicht mehr mit der Brechstange, raffiniert möchte man die Menschen für sich gewinnen. Weil sich Fußball in die Bäuche bohrt, ist er dafür das ideale Instrument. Eines, das auf Samtpfoten daherkommt. Die Botschaften werden nicht eingehämmert, sie umsäuseln am Bildrand das Auge. Der Sponsor drängt sich nicht auf, ist aber möglichst oft im Bild: im Stadion, im Studio, beim Interview. „Vernetzte Kommunikation“ heißt das. Hauptsache, jeder assoziiert spontan: Willkommen zur Bundesliga, zur Banden-Liga, willkommen im freundlichen Logo-Land.
Schon 1998 war das der deutschen Wirtschaft 2,5 Milliarden Mark wert, wie eine Emnid-Umfrage ergab; bis 2002 sollen es 3,1 Milliarden Mark sein. Ein Löwenanteil davon fließt in den salonfähig gewordenen Fußball, den letzten gemeinsamen Nenner der zersplitterten Fun-Gesellschaft. „Sponsoring ist die Philosophie des behutsamen Werbens“, sagt der Erlanger Psychologieprofessor Klaus Moser. Die Firmen suggerierten Selbstlosigkeit, weil sie vorgeblich bescheiden in einem angenehmen Umfeld auftauchten. Auch wenn es die Firmen gerne anders darstellen: Sie sind keine Mäzene. Sponsoring ist vielmehr ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Der Verein erhält Geld, das Unternehmen zapft das Image ab. Umgekehrt ist Spitzensport ohne Sponsoren nicht mehr denkbar. Ihr Kapital ist das Schmiermittel, das das System am Laufen hält.
Zurück auf die IFA. Noch Fragen an die Bayern? Ob Hoeneß sich erinnern könne, wie er damals dem Geyer aus Dresden davongesprintet sei? Dann sagt ein Mädchen: „Ich interessiere mich gar nicht für Fußball“, und vorbei ist die große Bayern-Viag-Interkom-Frageminute. Vielleicht sind die Messebesucher so sprachlos, weil sie die Prominenten nur als Imagehülsen begreifen, von denen sie eine Unterschrift ergattern möchten, bestimmt aber kein persönliches Wort. So funktioniert diese Inszenierung des gequirlten Nichts. Keiner hakt nach, aber jeder hat ein gutes Gefühl.
Derart leichtfüßig Emotionen zu produzieren vermögen TV-Spots nicht mehr. Sie machen eine Marke bekannt, dann stoßen sie an ihre Grenzen. Aber in Branchen wie Bier, Mobilfunk und neuerdings Strom ist entscheidend, wer am sympathischsten wirkt. Sponsoring wird so zum Turbogang der „Marktpenetration“, es bindet die Verbraucher eng an die Marke. Wenn es durchdacht ist.
Dafür heuern die Entscheider Experten wie die Frankfurter Agentur Schmidt und Kaiser an. „Eine Bande buchen und abwarten, das reicht nicht mehr“, sagt Pressesprecher Oliver Michels. Seine Kollegen tüfteln Strategien aus: Welcher Verein, welche Werbeform passt zum Kunden? Ihr Grat ist schmal: Werden die Mittel falsch eingesetzt, verpuffen die Millionen. Nur, wie geht das: Prüfen, was richtig ist und was falsch? Weil Marketing-Menschen an die Erotik von Zahlen glauben, hat die Agentur einen „Sponsor-Index“ kreiert; er listet auf, wie lange und wie klar ein Logo im Fernsehen zu sehen war.
Zu Hilfe eilen Marktforschungsinstitute, die dem Image penibel auf den glatten Leib rücken. Bis zu zwei Millionen Mark können die Dienste des Marktführers „Sport und Markt“ kosten. Je nach Ergebnis wird danach fein justiert: da eine Bande storniert, dort ein neues Banner aufgepflanzt. „Fußball ist herrlich geeignet, ein Image zu steuern“, sagt Hartmut Zastrow, Geschäftsführer des Kölner Instituts. Das zeige sich bei der Versicherung Continentale, dem Trikotsponsor von Hertha BSC, deren Ruf sich in Berlin enorm verbessert habe.
Bundesweit durchschlagenden Erfolg jedoch haben nur die wenigsten Sponsoren. „Deshalb finden wahre Schlachten um die besten Pakete statt“, sagt Zastrow. Den Platz an der Sonne besetzt seit 1994 die Brauerei Beck's, die für geschätzte 12 bis 15 Millionen Mark pro Jahr „ran“ präsentiert. Neun von zehn Deutschen kennen mittlerweile ihr Bier, heißt es dort.
Davon ist das Internet-Unternehmen Gigabell noch weit entfernt. Auf die IFA schleift der Börsenneuling daher Borussia Dortmund; fast das gesamte Team dribbelt sich durch die Messestände. Hier flirtet Lars Ricken mit Miss Germany, dort starrt der Brasilianer Dede auf sein Handy. Keiner erkennt ihn, nur Moderator Rolf Töpperwien jubelt, fährt seinem Auftraggeber, dem Gigabell-Vorstandsvorsitzenden Daniel David, über den Mund und brüllt: „Da kommt Dede.“ 300 Menschen umringen die Bühne, ein Dutzend von ihnen klatscht.
Das Engagement kostet Gigabell mehrere Millionen Mark, „aber keine 20“, sagt Klaus Schwab, der Pressesprecher. Die Wangen aller Manager sind gerötet, der BVB lässt keinen kalt, Kalkül hin, Kalkül her. Ob er denn mit Gigabell im Internet surfe, fragt Töpperwien den jungen Ricken, aber der sagt: „Ich nehme immer den günstigsten Anbieter.“ Das müssen sie heute schon aushalten, die Sponsoren. Das Glaubwürdige ist nicht unbedingt angenehm.
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