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Was soll weg – Barsebäck

■  taz-Serie „Jeden Tag ein guter Grund für den Atom-Ausstieg“: Dänemark – Land ohne AKWs, doch mit mächtiger Bewegung

Kopenhagen (taz) – Dänemark erzeugt keine Kilowattstunde Atomstrom. AKWs hat es aber trotzdem bekommen. Noch dazu in Sichtweite der Hauptstadt, auf der schwedischen Seite des Öresund. Wenn bald auch dieses atomare Übel ausgeknipst wird, ist das weniger ein Verdienst der schwedischen, als der dänischen Anti-Atomkraft-Bewegung, die in diesem Jahr gerade 25 Jahre alt geworden ist und nicht nur im eigenen und im Nachbarland, sondern in der weltweiten Anti-AKW-Bewegung Spuren hinterlassen hat.

Im Jahr 1974 hatte eine Gruppe energischer Jugendlicher in Kopenhagen zur Pressekonferenz geladen. „Wir waren inspiriert von der Atomkraftdebatte in den USA“, erinnert sich Tarjei Haaland, jetzt angestellt bei Greenpeace. Die OOA – „Oplysning om Atomkraft“ (Organisation zur Aufklärung über die Atomkraft) trat erstmals an die Öffentlichkeit.

Der bescheidene Beginn sollte der Anfang vom Ende der dänischen Atomindustrie werden, die damals in den Startlöchern steckte. Die Stromproduzenten waren gerade mitten in einer recht erfolgreichen Lobbyaktivität, die 1976 in einem Mehrheitsbeschluss des Parlaments mündete, die Zukunft der dänischen Energieversorgung unter atomare Vorzeichen zu stellen. Ein Atomgesetz wurde verabschiedet – und kam niemals zur Anwendung. Verdienst der OOA, die der Stromlobby immer einen Schritt voraus war. Finn Hasted, in den Siebzigerjahren Chef der Kernkraftabteilung von „Elkraft“: „Wir merkten zu spät, dass die Einführung der Atomkraft kein technisches, sondern ein politisches Problem war.“

Als das Folketing das Atomgesetz verabschiedete, war die Stimmung im Land bereits umgeschlagen. Und das, obwohl sich weder die Zukunft Dänemarks als Erdgasproduzent, noch die als eines bald weltweit führenden Produzenten und Anwenders von Windkraftwerken auch nur abzeichnete. Aufklärung hieß das OOA-Erfolgsrezept.

Anti-AKW-Zeitungen in einer Auflage von mehr als zwei Millionen verfehlten ihre Wirkung ebenso wenig wie wiederholte Protestmärsche, denen sich bis zu 50.000 TeilnehmerInnen anschlossen. Über allem das Symbol, ohne das in den Siebzigerjahren kein Citroän 2 CV komplett war: Die lachende Sonne „Atomkraft? – Nej Tak!“, das schlagkräftigste „Warenzeichen“ der weltweiten Anti-Atom-Bewegung. Entworfen von einer Studentin aus Århus und ausgehend von der OOA binnen kurzer Zeit in 43 Sprachen verbreitet.

Dass Schweden trotz aller Proteste den DänInnen 1975 den ersten und 1977 den zweiten Barsebäck-Reaktor vor die Tür setzte, konnte die OOA allerdings auch nicht verhindern. Doch spätestens seit der Beinahe-Kernschmelze im AKW „Three Mile Island“ von 1979 stand auch die dänische Regierung mit auf Seiten der OOA, wenn es um Proteste gegen Barsebäck ging. 1985 streicht das Folketing die Atomkraft auch formal aus allen zukünftigen Energieplanungen des Landes.

Die OOA braucht nicht mehr über die Atomkraftrisiken aufzuklären, tauft sich in „Energiebewegung OOA“ um und konzentriert sich auf Proteste gegen Kohlekraftwerke. Um aber regelmäßig weiterhin mit schwedischen und deutschen Anti-AtomkraftlerInnen vor Barsebäck aufzutauchen: „Was muss weg – Barsebäck!“

Kein Staatsbesuch eines dänischen Ministerpräsidenten, Innen- oder Umweltministers im Nachbarland, ohne dass die schwedische Regierung auf die – wohlbekannte – Haltung Dänemarks zu Barsebäck aufmerksam gemacht wird. Stete Tropfen, die den Stein höhlen.

Nachdem sich das schwedische Parlament endgültig zum Beginn des Atomkraftausstiegs durchgerungen hat, ist es selbstverständlich, dass Barsebäck als erster Reaktor ausgeknipst werden soll. Offiziell auch wegen des endlich zugestandenen „problematischen“ Standorts gegenüber von Kopenhagen. Reinhard Wolff

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