: Was es nicht alles gibt!
■ Der Neu-Hauptstädter Schröder staunt – und schreibt über „Meine Berliner Republik“
Berlin (taz) – Der Kanzler hat noch Freunde. Zum Beispiel Stern-Leserin Astrid Poensgen-Heinrich aus Idstein. Als das Magazin neulich auf seinem Titel fragte, „Würden Sie diesen Mann noch einmal wählen?“, antwortete sie: „Ja. Ich würde sogar ein Auto von Gerhard Schröder kaufen.“
Beeindruckt von so viel Vertrauen in den Kanzler stellte der Stern in seiner neuesten Ausgabe keine weiteren Fragen, sondern Schröder zwei Seiten zur Verfügung. Vielleicht nur, um die Gläubigkeit von Frau P.-H. zu testen. Einen praktischen Kleinwagen, na gut. Aber würde sie ihm wirklich alles abkaufen? Auch so etwas Sperriges wie „Meine Berliner Republik“?
Die Chancen stehen gut, denn der schreibende Kanzler hat sich angestengt. Im Heft kurz nach einer Henri-Nannen-Story platziert, packt Schröder eine wahre Wundertüte aus, um seinen neuen Wohnsitz anzupreisen. Was er hier nicht alles schon entdeckt hat! „In Hinterhöfen werden Medienunternehmen gegründet, basteln Gründer an Entwürfen für die Märkte von morgen und die Techniken von übermorgen.“ Meint er die wackeren Leutchen vom Privatfernsehen, die Anfang der Woche ein bescheidenes Fest mit einem alternden Straßenmusikanten feierten? Das kleine Konzert könnte er gesehen haben. Es fand sozusagen im Hinterhof des Hotels am Gendarmenmarkt statt, in dem er derzeit haust: „Gewiss mit Unbequemlichkeiten und Provisorien.“ Die nimmt der Kanzler gern in Kauf, schließlich fühlt er sich jung wie nie zuvor. Der Umzug wirkt auf ihn wie eine „Frischzellenkur“: „Auch deshalb habe ich mich persönlich so auf Berlin gefreut“, schreibt der Kanzler.
In guter sozialdemokratischer Manier versucht er den Auftrag des „großen Berliners Willy Brandt“ zu erfüllen und es möglichst allen recht zu machen. Sogar die verblichene Ex-Republik namens Bonn bekommt ein paar nette Worte. Die „freundliche Unaufgeregtheit der Menschen“ habe ihm dort immer gefallen.
Bei aller Euphorie hat Schröder auch in Berlin seine Vorbehalte. Gemütlich sei die Stadt „ganz bestimmt nicht“, manchmal sei sie gar „widerspenstig“. Aufsässigkeit schätzt der Kanzler bekanntlich nicht. Daran hat sich auch in Berlin nichts geändert.
Lukas Wallraff
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