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„Mach doch mal was Richtiges“

■  Wer im so genannten Dritten Sektor – zwischen Markt und Staat – arbeitet, muss auf Sicherheit und soziale Anerkennung weitgehend verzichten. Eine zweitägige taz-Konferenz zum Thema startet heute in Berlin

Berlin (taz) – Angelika Beyer ist schon eine Weile im Geschäft. Die Diplompädagogin hat das, was man in der Wirtschaft „langjährige Berufserfahrung“ nennen würde. Seit mehr als zehn Jahren berät Beyer Arbeitslosenzentren, Beschäftigungsprojekte, neuerdings auch Sozialpolitiker. Erst arbeitete sie ehrenamtlich, dann als ABM-Kraft, dann als Angestellte in der „Koordinierungsstelle für Arbeitslose in Gewerkschaften“, einem gemeinnützigen Verein in Bielefeld. Was eine Erfolgsstory ist, gewissermaßen: Zum erstenmal hat die 44-Jährige eine auf drei Jahre gesicherte Anstellung.

„Erst jetzt spüre ich, wie stark mich die Unsicherheit der vergangenen Jahre belastet hat“, erzählt die Alleinerziehende. Ihre Jobs reichten immer nur von einer ABM-Bewilligung, von einem Projektantrag zum nächsten. „Wenn die Leute hörten, was ich tue, hieß es oft: Mach doch mal was Richtiges!“ schildert sie. So, als sei es Kleckerkram, wenn man Meetings von Arbeitsloseninitiativen organisiert, Adressenlisten zusammenstellt, Presseerklärungen verschickt und, wie im vergangenen Jahr, bundesweite Demos von Joblosen auf die Beine stellt.

In einer Gesellschaft, in der Status vor allem auf einem gut bezahlten, arbeitsrechtlich abgesicherten Job in Privatwirtschaft oder Behörden aufbaut, fühlen sich viele Engagierte im Dritten Sektor als eine Art Mitglieder zweiter Klasse. „Bezahlung ist in unserer Gesellschaft halt immer noch das wichtigste Mittel der Anerkennung“, so Beyer. Und dabei gibt es große Abstufungen. Festangestellte bei einem der großen Wohlfahrtsverbände, deren Tarife denen des öffentlichen Dienstes angenähert sind, arbeiten in einem relativ sicheren Job. Ungemütlicher wird es für befristet Angestellte in einem kleinen gemeinnützigen Stadtteilprojekt, dessen Existenz immer an die Stimmungslage der örtlichen Haushaltspolitiker geknüpft ist. Besonders starke Nerven brauchen ABM-Kräfte, die noch so eifrig werkeln können – nach einem Jahr ist es vorbei.

Nicht selten wechseln die im Dritten Sektor Beschäftigten unfreiwillig die Seiten: Mal arbeitet eine als vom Sozialamt finanzierte Küchenkraft in der Armenspeisung, ein Jahr später löffelt sie dort als Arbeitslose die Suppe.

„Ohne ein politisches Bewusstsein, dass ich eine sinnvolle Arbeit mache, hätte ich die letzten Jahre nervlich nicht durchgehalten“, sagt Beyer. Doch auch das politische Bewusstsein vieler wandelt sich mit den Zeiten. Vorbei die 70er und 80er Jahre etwa in Westberlin, als ABMler in Jugendkulturprojekten hoffnungsvolle Rockmusiker unterstützten, Off-Off-Theatergruppen auf die Beine stellten und in der alternativen Szene als tolle Hechte galten. Wer sich heute als ABMler vorstellt, muss erst mal mit dem „Loser“-Image kämpfen.

Das merkt auch, wer sich unter Ehrenamtlichen umsieht. Junge Leute, die sich unbezahlt engagieren, „wollen am liebsten irgendetwas tun, das sich später auch in der Biographie gut macht“, so ein Mitarbeiter der Berliner Freiwilligen-Agentur. Wer die Pressearbeit für eine Umweltinitiative organisiert hat, kann später in Bewerbungsgesprächen nebenbei seine PR-Erfahrung selbstlobend erwähnen. Psychologiestudenten, die sich freiwillig in der Aidshilfe engagieren, sammeln Erfahrung auch für ihr späteres Berufsleben.

Für Arbeitssuchende jedoch, die liebend gern einen „richtigen“ Job hätten und dann mit einem ABM-Job vorlieb nehmen müssen, ist eine Tätigkeit im Dritten Sektor mit schweren Kränkungen verbunden. Studien hätten ergeben, so Beyer, dass der nervliche Stress sogar größer sei als für Langzeitarbeitslose, die sich mit ihrem Schicksal abgefunden hätten. Denn die ABMler landen immer wieder aufs Neue beim Arbeitsamt und rutschen dann bis zur nächsten Bewilligung ins seelische Tief.

Dass aus den Ehrenämtern und ABM-Stellen ein normales Arbeitsverhältnis erwächst, ist selten. In Westberliner Umwelt-, Frauen- und Friedensgrupppen sank der Anteil unbezahlter Mitarbeit von 1980 bis 1993 von 72 auf 56 Prozent, gleichzeitig nahm der Anteil der bezahlten Teilzeitarbeit in diesen Projekten zu. Doch dies waren noch vergleichsweise goldene Zeiten für die Inis. Und für die ABMler. „Früher war die Verlängerung einer ABM-Stelle auf zwei Jahre kein Problem. Heute sind die Stellen auf ein Jahr befristet“, berichtet Beyer.

Die große Hoffnung der 90er Jahre, dass sich aus Beschäftigungsprojekten besonders im Osten neue Firmen ausgründen und dann über Auftraggeber selbst finanzieren, hat sich kaum erfüllt. „Es gibt eben Dienstleistungen, die gesellschaftlich wünschenswert sind, sich aber niemals auf dem ersten Arbeitsmarkt selbst tragen“, so Beyer. „Die wird man immer öffentlich finanzieren müssen.“ Wer im Dritten Sektor arbeitet, muss wechselnde Bezahlung und oftmals ein zweifelhaftes Image aushalten.

Barbara Dribbusch

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