: Zahlungswillige gesucht
■ Kanzler spricht mit Firmen über Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern
Berlin (dpa/rtr) – In die stockenden Verhandlungen um eine Entschädigung für die NS-Zwangsarbeiter wird sich der Bundeskanzler am kommenden Montag erneut persönlich einschalten. Schröder will mit der deutschen Industrie über eine Erweiterung des Kreises der Unternehmen sprechen, die sich an dem Entschädigungsfonds beteiligen sollen, sagte Regierungssprecher Heye gestern in Berlin. Die Bundesregierung hoffe im Interesse der Opfer weiter, dass eine schnelle Lösung in den Verhandlungen gefunden werde, so Heye. Der Beauftragte der Regierung für die Entschädigungsverhandlungen, Otto Graf Lambsdorff, hatte in den vergangenen Tagen mehrfach beklagt, dass sich bislang lediglich 16 deutsche Firmen zur Entschädigung bereitgefunden hätten.
Es gebe seit längerem Bemühungen, weitere zahlungswillige Firmen zu gewinnen, sagte der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski. „Aber die Unternehmen wollen abwarten, was sich bei den Verhandlungen ergibt.“ Die nächste Verhandlungsrunde soll Anfang Oktober in den USA stattfinden.
Hintergrund der Mitgliederwerbung ist die umstrittene Höhe der Entschädigung. Die US-Anwälte haben nach Angaben aus deutschen Kreisen Forderungen von bis zu mehr als 30 Milliarden Dollar erhoben. Dies lehnen die deutschen Unternehmen als völlig überhöht ab. Sie sollen angeblich eine Summe von bis zu zwei Milliarden Mark bereitstellen wollen.
Laut Lambsdorff können die bisherigen 16 Stiftungsmitglieder die letztendlich notwendige Summe „nicht allein auf die Beine stellen“. Er fordert, auch mittelständische Firmen, die einst Zwangsarbeiter beschäftigt hätten, sollten dem Fonds beitreten. Zahlen und Namen nannte er nicht, sagte jedoch, ein US-Anwalt habe ihm eine 30-seitige Liste mit Namen von Unternehmen übermittelt.
Die Höhe der Gesamtzahlung gilt momentan als die schwierigste Frage der Verhandlungen, die nach den ursprünglichen Plänen bereits am 1. September, dem 60. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, hätten abgeschlossen werden sollen.
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