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■ KommentarNicht gemeldet Erlasst Werthebach die Steuern!

Möchten Sie in einer Stadt leben, in der man Sie „Reißwolf“ nennt? In der schwarz gekleidete Menschen Ihren Namen nur mit Hassparolen belegen? In der Sie vermuten, einer Ihrer Mitarbeiter habe Ihnen eine „Falle“ gestellt, die Ihnen den Job kosten könnte?

Nein, in einer solchen Stadt will niemand heimisch werden, und deshalb ist Innensenator Eckart Werthebach eigentlich auch gar nicht hier: Der oberste Ordnungshüter ist bis heute nicht in polizeilich gemeldet - erst am Freitag hat er einen Antrag auf einen Zweitwohnsitz in der Hauptstadt ausgefüllt. Als Bürger erfasst ist er nach wie vor in Meckenheim bei Bonn, seinem Erstwohnsitz.

Und das, obwohl der Reißwolf, sorry: der Senator, schon seit November vergangenen Jahres hier lebt. Seine Sprecherin, die Arme, erklärt: Er habe damals gaaanz schnell gaaanz viel unterschreiben müssen, da glaubte er, er sei schon angemeldet. Außerdem werde die Zweitwohnsitzsteuer ja erst nach einem Jahr erhoben. Das zahle der Senator alles nach, und das Bußgeld, bis zu 100 Mark, natürlich auch.

Wir aber fordern: Werthebach sollte überhaupt nichts blechen! Denn, so hat die fleißige B.Z. für uns recherchiert: Er lebt zwar hier in Berlin in einer schönen Umgebung. Im Obergeschoss des Senatsgästehaus haust der Mann (B.Z.: „privat eher ein lockerer Typ“) in „zwei kleinen Zimmern, Bad, keine Küche“. Und das für 20 Mark Kaltmiete pro Quadratmeter. Doch „sehr einsam“ ist es da. Schließlich war er seit seiner Studienzeit noch nie so langegetrennt von seiner Frau, die ihm auch heute noch alle Hemden bügelt, wie jetzt.

Schnüff! Nein, wir Berliner sollen irgendwie frech sein, aber herzlos sind wir nicht. Wer noch nicht mal einen Koffer in der Stadt hat, soll sich hier auch nicht anmelden oder gar Steuern zahlen müssen. Außerdem: „Wenn ich wiedergewählt werde“, so hat Werthebach versprochen, „suche ich mir eine richtige Wohnung.“ Man sollte den armen Mann nicht auch noch zu dieser Investition zwingen. Deshalb wollen wir nett sein zum Senator und auf keinen Fall CDU wählen. Er selbst geht da mit gutem Beispiel voran: Wählen darf man nur am Erstwohnsitz. Philipp Gessler

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