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Neue Anzeige für Schill

Verteidiger zeigt umstrittenen Amtsrichter wegen Rechtsbeugung an. Ronald Schill habe „bedeutendes Schutzrecht verletzt“  ■ Von Kai von Appen

Der berüchtigte Hamburger Amtsrichter Ronald Schill beschäftigt erneut die Staatsanwaltschaft. Der renommierte Hamburger Strafverteidiger Uwe Maeffert erstattete nun gegen den Juristen Strafanzeige wegen „Rechtsbeugung“. Der Grund: Schill verknackte einen Mann zu zwei Jahren und vier Monaten Knast, ohne ihm einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Es ist schon das zweite Verfahren gegen Schill. Bereits im Mai hatten die Anwälte Andreas Beuth und Ursula Ehrhard Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung gestellt, weil Schill in einem Rote-Flora-Bagatellverfahren rechtswidrig zwei Zuschauer in Ordnungshaft steckte.

Bertram Meier (Name geändert) war im Mai 1998 vor dem Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung angeklagt. Der Mann wurde beschuldigt, als Mitläufer an einer Schlägerei teilgenommen zu haben. Uwe Maeffert übernahm damals zehn Tage vor dem anberaumten Verhandlungstermin die Verteidigung. Wegen anderer Verpflichtungen bat Maeffert, den Termin aufzuheben und zu verschieben. Doch Schill lehnte dies mit dem Hinweis auf die besondere Arbeitsbelastung seiner Abteilung ab und verwies auf das „wohlverstandene Interesse des Angeklagten auf ein Beschleunigungsgebot“. Schill wies zudem darauf hin, „dass der Fall einfach gelagert“ sei und sich ein anderer Verteidiger kurzfristig und problemlos einarbeiten könnte.

Am 29. Mai 1998 verurteilte Schill Bertram Meier zu zwei Jahren und vier Monaten Knast, ohne ihm zuvor einen Anwalt beigeordnet zu haben. Das Verfahren gegen den Mitangeklagten, der nicht zum Termin erschienen war, trennte er zudem kurzerhand ab. „Die Rechtssprechung hält eine Pflichtverteidigung bei Haftstrafen über einem Jahr schon für notwendig,“ erkläutert Maeffert, „bei zwei Jahren ist sie absolut zwingend.“

Dabei scheute sich der umstrittene Amtsrichter nicht, falsche Angaben in das Urteil zu schreiben. Maeffert: „Ich werde sogar im Urteil erwähnt, obwohl ich gar nicht verteidigt habe.“ Nach Auffassung Maefferts hat Schill damit nicht nur rechtswidrig die Beiordnung eines Pflichtverteidigers unterlassen. Zudem belege die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten, der nicht erschienen war, dass die Begründung der Terminlage vorgeschoben war. „Spätestens dann hätte Schill den Prozess aussetzen müssen“, meint Maeffert, „durch die Abtrennung schuf er nun zwei Verfahren.“

Maeffert wartete allerdings mit seiner Strafanzeige, bis das Landgericht in zweiter Instanz vor kurzem Schills Urteil aufhob. Im Einklang mit der Staatsanwaltschaft verurteilte das Landgericht Bertram Meier wegen Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Der Angeklagte nahm noch im Gerichtssaal das Urteil an, und Uwe Maeffert steckte noch am selben Tag den Strafantrag in den Briefkasten. Maeffert: „Schill hat bewußt ein bedeutendes Schutzrecht des Angeklagten verletzt.“

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