piwik no script img

Kritik und Gruppensex

■  „Versuchen Sie es doch mal mit einer Gameshow à la „Traumhochzeit ...“ Wie die Bertelsmann-Stiftung einmal elf TV-Moderatoren ein Weiterbildungsseminar spendierte

Moderatoren sind wie ein Highlander: Es kann nur einen geben – d. h. pro Sendung kann es nur einen geben (ja gut, manchmal auch zwei). Insgesamt tummeln sich in den Programmwelten Hundertschaften mehr oder weniger bekannter, mehr oder weniger professioneller Nachrichten-, Gameshow-, Wettervorhersage-, Regionalnachrichten-, Lokalsendernachrichten-, Lifestyle- oder Gesundheitsmagazin-, Flirtshow-, Talkshow-, „Guinness“- oder Gameshow-Moderatoren. Elf von ihnen trafen sich kürzlich für eine Woche in Sachen „Professionalität und Persönlichkeit – Magazinmoderation im TV“ zu einem Weiterbildungsseminar der Bertelsmann-Stiftung in Köln. Die Veranstalter hatten die Namen der Lernwilligen auf große Pappschilder gedruckt, was zeigt, dass „Karin Jacoby“, „Franziska Rubin“, „Carsten Fuß“ oder „Petra Glinski“ der Bild-Zeitung bislang noch keine Schlagzeile, der Bunten noch keine Homestory und dem ZDF noch keinen Platz auf Gottschalks Wettsofa wert waren. Selbst wenn sie zum Teil schon lange Jahre im Geschäft und auf der Mattscheibe, oder – wie Petra Glinski – Redaktionsleiterin von „Süddeutsche-TV“ sind. (Nur bei dem Schildchen „Franziska Schenk“ fällt einem vielleicht ein, dass sich diese Franzi van Almsick der ARD schon mal für das Berliner Boulevardblatt B. Z. ausgezogen und nach ihren Eisschnelllauferfolgen mit der Co-Moderation einer großen, wenig originellen Samstagabendunterhaltungsshow auf ein noch dünneres Eis begeben hat.)

Doch gerade weil die acht Frauen und drei Männer zwischen 25 und 35 Jahren eher Profis als Promis sind, hat sie die gemeinnützige Stiftung des Gütersloher Medienriesen aus den Bewerbern herausgepickt und ihnen namhafte Branchenprofis wie Sat.1-Chefredakteur Jörg Howe oder den Fußballkommentator Marcel Reif als Referenten, ein Studio für praktische Übungen, einen Seminarraum nebst Fernseher und Videorekorder und eine Pinnwand bereitgestellt. An letztere hatte die Moderatoren-Elf tags zuvor zu den Stichworten „Erwartungen“ und „Was macht ein gutes Team aus?“ kleine Zettel gepikt, auf denen auffällig häufig das Wort Kritik (aber einmal auch Gruppensex) gekritzelt war. Wie gesagt: Moderatoren sind Highlander: einsam.

Wohl deshalb wird die Runde immer dann besonders lebhaft, wenn einer über die „verknöcherten Strukturen“ bei den Öffentlich-Rechtlichen, das „Hire & Fire“ bei den Privaten und die kleinen (unspezifischen) Widrigkeiten im Moderatorenalltag redet – oder auch nur darüber, ob man die Haare vor der Kamera nun besser lang oder kurz, blondiert oder natur, hochgesteckt oder mit Gel oder lockig oder rot tragen sollte. „Echt?“, sagen sie da oder: „Ach, das kenn ich.“

An diesem dritten Seminartag aber sitzt Franziska Rubin zwischen den anderen und sagt etwas entgeistert: „Gameshow?!“ Die 29-jährige Hannoveranerin moderiert beim MDR die Call-in-Sendung „Hauptsache gesund“ ist außerdem ein beliebtes Nachmittagsgesicht beim Kinderkanal und brachte es unter anderem schon zu einem erfreulich souveränen Gastauftritt in der „Harald Schmidt Show“. Das durch und durch öffentlich-rechtliche Naturtalent, als das sie nach ihrem Medizinstudium und einer „Herzblatt“-Kandidatur entdeckt wurde, nimmt den Job auch inhaltlich ernst; egal ob sie sich nun vor der Kamera mit den Zipperlein eines Anrufers herumschlagen oder minderjährigen Zuschauern den Strandurlaub erklären muss.

Beides hat sie soeben im Plenum und gemeinsam mit der Referentin Eva Maßmann auf ihren mitgebrachten Moderationsmitschnitten angeschaut. Maßmann war nämlich früher, ganz früher, mal RTL-Moderations-Pionierin. Jetzt ist sie geschminkt, als wäre sie's immer noch, arbeitet seit sechs Jahren als Moderatoren-Coach und hat sogar für Rubin, die in den Beispielsequenzen (zumal im Vergleich zu denen mancher Kollegen) angenehm sicher und ungezwungen wirkte, noch allerlei gute Ratschläge: Nicht mit dem Finger zeigen. Den Kopf nicht schief legen. Gegen das eigene Temperament ankämpfen. Durch die Nase atmen. Und abschließend riet die Moderationstrainerin dem Naturtalent, es doch mal mit einer „Gameshow“-Moderation „à la 'Traumhochzeit‘ “ zu versuchen. „Das macht einen schon nachdenklich“, sagt Franziska Rubin später in der Mittagspause, meint damit aber etwas ganz anderes (vielleicht den Managementberater, der ihnen am Vortag ins Gesicht gesagt habe, dass man sich als Frau ab 35 allmählich nach einem anderen Job umsehen sollte).

Doch da geht's auch schon weiter im Programm: Marcel Reif bittet zum „Interviewtraining“, ist ungeheuer professionell und Franzi Schenk sichtlich erregt. Reif sagt ein paar einleitende Worte, dann den ersten Tipp: „Ich möchte gewinnen!“, sollen sich die Moderatoren vorm Interview einreden. „Entweder mit dem Interviewpartner, aber zur Not auch ohne ihn ...“ Die Griffel flitzen. (Leider gibt es an dieser Stelle nicht mehr zu berichten, weil Herr Reif alles, was über ihn in der Zeitung stehen würde, vor Erscheinen absegnen wollte.) Im Nachhinein können sich einige der Seminarteilnehmer nicht mal mehr erinnern, dass Reif irgend etwas besonders Erhellendes zu erzählen gewusst hätte.

Aber unter „Professionalität und Persönlichkeit“ versteht eben jeder was anderes. Und so gab es natürlich in Köln auch Burschen, die als Vorbild Peter Klöppel nennen, aber den Augenaufschlag von Ulrich Meyer und die Frisur von Oliver Geißen imitieren. Solche, die am Vorabend zu lange gefeiert hatten und deshalb „Du, das ist alles relativ“ sagen. „In 15 bis 20 Jahren mal Programmchef oder Chefredakteur bei einem Lokalsender“ sein. Christoph Schultheis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen