piwik no script img

Der Visionär plädiert auf „nicht schuldig“

■ Ex-Vulkan-Chef Hennemann sieht sich als Opfer und glaubt an einen Freispruch

„Ich bin jetzt da, wo ich hinwollte“, sagt der Mann, auf den sich beim Vulkan-Prozess in Bremen alle Augen richten: Friedrich Hennemann, mit 63 Jahren eigentlich im besten Pensionierungsalter. „Pokerface“ nannte ihn einmal ein alter politischer Bekannter. Der Buchhaltertyp, hanseatisch zurückhaltend, eine immer korrekte und stille Erscheinung. Doch wenn sich Hennemann über das ihm widerfahrene vermeintliche Unrecht aufregt, kann er die Erregung nicht verbergen.

Wohin er gewollt hat? Seine Anwälte haben ihm geraten, sich nicht weiter öffentlich zu äußern, sagt er. Auch vor Gericht wird er, zunächst jedenfalls, Schweigen bewahren. Aber klar ist, dass er sich unschuldig fühlt, nicht nur im moralischen Sinne. Nach seinem Sturz als Konzernchef tauchte er auf einer Demonstration der Werftarbeiter auf, ließ sich in Bremen-Vegesack zum SPD-Delegierten wählen, um sich dem Landesparteitag als Interpret sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik anzubieten.

Der Sozialdemokrat und promovierte Volkswirt war ab Mitte der 70-er Jahre Senatsdirektor im Wirtschaftsressort in Bremen und in dieser Funktion Anfang der 80-er Jahre auch an der Bildung des Werftenverbundes beteiligt, in dessen Rahmen die vier Bremer Schiffbaubetriebe zum Vulkan Verbund vereinigt wurden. 1987 übernahm er den Vorstandsvorsitz und damit die Aufgabe, von den Schiffbauarbeitsplätzen in Bremen zu retten, was zu retten war.

Dass er Verantwortung für den späteren Zusammenbruch des Konzerns tragen könnte, hat er bislang stets zurückgewiesen.Für ihn gab es 1995 nur ein „Problemchen“, wie der Commerzbank-Vertreter damals formulierte. Er glaubt immer noch, dass genügend Substanz im Unternehmen war, um die zugesagten Investitionen in die Ostwerften zu tätigen. Und er glaubt daran, dass das Gericht ihn freispricht und damit letztlich auch rehabilitiert.

„Wir stehen vor einem ozeanischen Jahrhundert“, hatte Hennemann 1991 gesagt, als er begründen musste, warum er nach dem Fall der Mauer die Ostwerften übernehmen, also den Schiffbauanteil im Konzern wieder erhöhen wollte. Politiker in Bremen, Bonn und Brüssel und Bankenchefs vertrauten dem Mann mit dem Silberhaar. Und seine Mehrheit im Aufsichtsrat ließ er sich bis zuletzt von der IG Metall besorgen. kw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen