: Vulkan: Untreue oder Manager-Freiheit?
■ Auf der Suche nach versickerten 850 Millionen Mark Ost-Beihilfe muss das Gericht sich mit rechtlichen Bewertungsfragen auseinandersetzen / Hennemann schweigt (vgl. auch Bericht S.8)
Fast zehn Minuten hatten die Fotografen und die Fernsehteams gestern morgen im Saal 218 des Bremer Landgerichtes, um neue Aufnahmen von dem früheren Vulkan-Vorstand zu machen. Dann mußten sie das Gerichtsgebäude räumen und der Prozeß, der vorab als „einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse“ der Nachkriegszeit bezeichnet worden war, begann eher tro-cken. Um die Verantwortlichkeit für den Vulkan-Konkurs geht es dabei bei diesem Strafverfahren überhaupt nicht, sondern nur um die Frage, ob die Vulkan-Manager, was die Verwahrung der Beihilfen angeht, eine besondere „Vermögensbetreuungspflicht“ gegenüber den Ost-Werften hatten.
Die Staatsanwaltschaft ersparte den Prozeßbeteiligten die Verlesung der 229 Seiten langen Anklageschrift und trug nur eine neunseitige Kurzfassung vor: Der Vorstand habe, so steht es da, für die Ost-Werften vorgesehene Beihilfen in Höhe von 854 Millionen Mark in seiner zentralen Konzern-Kasse im Westen „geparkt“ („Cash-Concentration“) und ausgegeben, obwohl er doch „sicherstellen“ sollte, dass die Mittel „jederzeit auf erstes Anfordern zurückgezahlt werden konnten“. Infolge der Zahlungsunfähigkeit des Vulkan-Konzerns sei der MTW-Werft in Wismar am Ende ein Schaden von 590,5 Millionen Mark entstanden, der Volkswerft Stralsund ein Schaden von 263,5 Millionen Mark. Nach Paragraph 266 StGB sei damit der Straftabestand der „Untreue“ erfüllt.
Dies sei, erklärten die Anwälte der vier angeklagten Vulkan-Vorstände alle mit ähnlichen Worten, eine komplizierte rechtliche Bewertungsfrage, zu der ihre Mandanten nichts sagen könnten. In keinem Falle, ließ der frühere Finanzvorstand Rüdiger Zinken erklären, sei eine Geld-Anforderung der Ostwerft zu seiner Zeit mit der Begründung zurückgewiesen worden, es sei kein Geld da.
Ganz grundsätzlich, so erklärte der Verteidiger von Johannes Schnüttgen, Reinhold Schlothauer, sei die der Anklage zugrunde liegende Rechtsauffassung nicht haltbar. „Vermögensbetreuungspflicht“ ist der juristische Terminus, und das Hanseatische Oberlandesgericht hatte in einem Beschluß vom 18.5.1999, in dem es um Treuhand-Ansprüche an Vulkan-Vorstände ging, eindeutig formuliert, dass „eine Vermögensbetreuungspflicht“ im Verhältnis von Ostwerften und Vulkan-Verbund nicht bestand. Im Klartext: Das Geld gehörte dem Konzern, und der Vulkan konnte damit arbeiten, insbesondere auch wirtschaftliche Schwierigkeiten anderer Verbundgesellschaften beheben. Auf die „Vermögensbetreuungspflicht“ gegenüber den Ostwerften stützt sich aber die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Anwalt Reinhold Schlothauer rechnet denn auch mit einem Freispruch, wenn die Strafkammer den Fall wie das Hanseatische Oberlandesgericht sieht. Und wenn nicht, dann müsse der Bundesgerichtshof in Leipzig die Rechtsfrage klären.
So war es auch 1992/93 nicht der Vulkan, der die Beihilfen für die Ost-Werften vorab überwiesen haben wollte. Der Vulkan wollte die Treuhand in der Verantwortung halten. In diesem Falle wären die Gelder zweckgebunden ausgezahlt worden. Die Treuhand hatte aber das Interesse, die volle Verantwortung an den Vulkan abzutreten, und deswegen überwies sie die 850 Millionen Mark vorab. Aus dieser Logik ergab sich, dass die Treuhand auch zustimmte, als der Vulkan die Mittel in seine zentrale Konzernkasse packte. K.W.
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