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Was ist geblieben von der DDR?„Das Miteinander“

■ Sozialstadtrat Lorenz Postler (41), SPD, hat eine Rückbesinnung ausgemacht

Geblieben ist zum Beispiel hier an der Karl-Marx-Allee der Biergarten vom Café Warschau, worüber wir sehr froh sind. Ich denke auch, dass die Gemütlichkeit in einzelnen Quartieren geblieben ist. Das wird man kaum verändern können. Und auch das Miteinander der Menschen ist geblieben. Die Fluktuation ist noch nicht so hoch. Die alte Verbundenheit und das Zwischenmenschliche sind noch ein bisschen da, auch wenn die Strukturen nicht mehr da sind.

Und dann gibt es noch das Händeschütteln, das übrig geblieben ist (lacht). Das finde ich persönlich ganz angenehm. Ich erlebe das noch ganz häufig, dass das mit den Begrüßungsformeln für Westler ungewohnt ist. Dann denke ich auch, dass man jetzt auch häufiger mit Leuten zu tun hat, die sehr viel erzählen, vom Wortschwall her, aber sehr wenig von sich persönlich. Das habe ich anders in Erinnerung, und ich habe auch andere Erfahrungen in meinem Umfeld, wo man sehr viel schneller über sich erzählt, als nur Hülsen auszutauschen.

Das sind Dinge, die mir wichtig sind und die ich auch beibehalten möchte.

Sichtbares ist wenig übrig geblieben. Es gab hier in Friedrichshain Versuche, Ladenketten nur mit Ostprodukten aufzubauen. Doch die konnten sich nicht halten. Die Qualität war nicht so, dass nur das Nostalgische ausgereicht hätte. Zu unserem Nachbarbezirk Kreuzberg gibt es große Unterschiede. Kreuzberg ist jahrzehntelang in den Genuss gekommen, sehr viel gerade im Grünflächenbereich investieren zu können. Wir haben da ein großes Defizit, das wir auf Grund der finanziellen Situation auch gar nicht aufholen können. Doch die Zeiten, wo man Friedrichshainer und Kreuzberger erkennen konnte, sind längst vorbei. Das hat sich völlig verloren. Diese Dederonbeutel, die man als DDR-Bürger trug, sieht man kaum noch.

Es wächst im Osten auch wieder eine neue Identität. Wir wünschen uns auf keinen Fall das Alte zurück. Aber so ein Stück Ehrlichkeit, da stehen wir dazu. Das Berlinern zum Beispiel, das hier sehr viel weiter verbreitet war als in Westberlin. Da, glaube ich, gibt es so eine Rückbesinnung.

Aufgezeichnet: Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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