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■ Annemarie Renger: Die Dame
Wer 1919 geboren wurde, kann als Politikerin noch Geschichte schreiben. Das hat Annemarie Renger von der SPD in zweifacher Hinsicht getan. Die gebürtige Leipzigerin war die erste Frau, die Bundestagspräsidentin wurde. Und sie war die erste Frau, die nicht Bundespräsidentin wurde – 1979 verlor sie den Schaukampf gegen Carl Carstens.
Doch eine Quotenfrau wollte Renger ohnehin nie sein. „Ich meine, dass die Frauen unter den Mitgliedern des Hohen Hauses keine Ausnahmestellung wünschen“, verkündete sie 1972 in ihrer Antrittsrede zur Präsidentin des deutschen Bundestages. Der Langzeitparlamentarierin – 37 Jahre war sie Mitglied des Bundestags – blieb der Schrei nach frauenpolitischer Entwicklungshilfe zeitlebens fremd. Für ihre Geschlechtsgenossinnen machte sich Renger nur hinter den Kulissen stark. 1978 gab sie einer Bäckergehilfin, die vor dem Arbeitsgericht für Lohngleichheit stritt, Rückendeckung. Schauprozess!, schimpfte damals das Frauenblatt Emma.
Annemarie Renger war eine Volksvertreterin der vor-feministischen Generation, eine, die ihre männlichen Kollegen oft zurechtwies, aber nie brüskierte. Argumentativ abgearbeitet hat sie sich an ihren politischen Gegnern und an Parteigenossen, deren Herz zu weit links schlug. Erzieherisch rückte Rengert vor allem den Grünen zu Leibe. Dem Ökosozialisten Thomas Ebermann befahl sie einst, sein Hemd zuzuknöpfen – er parierte.
1973 wurde Annemarie Renger aus dem Parteivorstand abgewählt. Als „Opfer des Linksdrifts ihrer Partei“ bezeichnete sie damals die Frankfurter Rundschau. Doch ein Oper wollte Renger nie sein. Michaela Kirschner
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