piwik no script img

Querspalte

■ Mach mir den Hasso, Maurice

Erinnern Sie sich noch an die erste „Becker-Faust“? Es dauerte nicht lange, bis auf jedem Dorf-Tennisplatz selbst restvernunftbegabte Menschen nach ästhetisch fragwürdigen Volleys plötzlich ihr Gesicht falteten und die Faust reckten. Natürlich tun es auch Schumi, Bierhoff und der Deutschland-Achter. Die Becker-Faust beherrscht alle Disziplinen. Der Reporter freut sich dann immer. „Jetzt kommt die Becker-Faust!“, sagt er und deutet die kurzdauernd spasmische Kontraktion als Zeichen wilder Entschlossenheit – so lebenswichtig wie Sponsorengelder und handelsübliche Anabolika.

Die nach Stefan Kuntz benannte „Kuntz-Säge“ – das Imitieren des Baumabsägens – konnte sich dagegen nicht behaupten. Dafür das schwer lässige Abklatschen. Beliebt sind außerdem: der Kopf unterm Trikot, das ausgezogene Dress, das Babyschaukeln. Jetzt kommt was ganz Neues: der Züngler! Muskelgebirge Maurice Green, (9,8 über 100 Meter) hat es am Dienstagabend beim Berliner Istaf wieder vorgemacht: Zunge zeigen, raus mit dem Waschlappen! Nachmittags hat der Sprintweltmeister mit Kindern trainiert, die vom virtuosen Spiel seiner Corpus Linguae voll begeistert waren. Auch beim Hürdenlauf streckte ein Schwarzer seinen Papillenträger bewegungsfreudig in die Abendluft. Es kann also nur noch Tage dauern bis C-Jugend-Kicker, Kreisklassen-Handballer und Seniorensportler sich die ersten Zungenentzündungen holen werden. Nur: Die Reporter haben noch Interpretationslücken. Zum einen signalisiert das Züngeln ja Fellatio-Bereitschaft, zum anderen drückt es Verachtung aus – bähh. In der Mongolei wiederum ist die herausgestreckte Zunge Zeichen höchster Ehrerbietung. Und bei Maurice Green? Womöglich macht er uns ja nur den „Hasso“. Der hechelt auch immer, wenn er viel rennen muss. Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen