Verzweifeltes Heldentum

■ In der rekonstruierten Fassung: Peckinpahs The Wild Bunch

Es liegt an der bekannt großen Bedeutung des Westerns für die US-amerikanische Kultur, daß sich die Wirkung großer Western-Filme niemals nur auf das eigene Genre beschränkte. Das Kino selbst wurde durch sie verändert und mit ihm immer auch der Blick auf übergreifend einflußreiche Mythen, deren wichtigstes Medium das populäre Kino war und ist.

The Wild Bunch von Sam Peckinpah aus dem Jahre 1969 ist einer der umstrittensten und innovativsten Filme dieser Kategorie. Er gilt als Wendepunkt in der Westerngeschichte, und kaum ein anderer Western hat zu so mannigfaltigen Interpretationen Anlaß gegeben. Er erzählt den systematischen Niedergang einer vom Anführer Pike Bi-shop (William Holden) organisierten Outlaw-Gang, des wild bunch, die, nach einem mißglückten Bankraub stark dezimiert, noch einmal versucht, auf die Beine zu kommen. Ein ehemaliger Mitstreiter und Freund Pikes, Deke Thornton (Robert Ryan), ist ihnen im Namen des Gesetzes auf der Spur, und die Flucht führt die bunch nach Mexiko.

Eingerahmt von zwei minutenlangen Massaker-Sequenzen läßt sich der Verfall des wild bunch wie eine Bild des so unaufhaltsamen wie brutalen Endes des klassischen Western lesen. Der frontier-Gedanke vom Aufbruch in die neuen Weiten sind um ihren Sinn beraubt. Schon die ersten Kampfszenen brechen zu offensichtlich mit den tradierten Schußwechsel-Inszenierungen, als daß der Glaube an uneingeschränkten Raum und die Freiheit des Einzelnen noch möglich wäre: Von allen Seiten strömen Gegner, Zivilisten, Soldaten und sogar Kinder herbei, sie alle werden Opfer des Kugelhagels, die Kameraperspektive wechselt fast im Schußtempo, einzelne Parteien und Zugehörigkeiten sind kaum noch auszumachen und räumliche Orientierung wird nahezu unmöglich.

Der Westen als Raum ist hier mehr als begrenzt, die Enge zwingt die Antihelden nicht west- sondern südwärts. Damit offenbart sich zugleich die Ausweglosigkeit und Verzweiflung derer, die ihr Leben und Selbstverständnis mit dem Glauben an eine grenzenlose, unschuldige Weite und der darin zu gründenden Unabhängigkeit der eigenen Person verknüpft hatten.

Diese Zerstörung des klassischen Westerns, der stets männlich codiert ist, hat bei Peckinpah viele Gesichter. Doch der Destruktion von so elementaren Begriffen des Genres wie Loyalität, Männerfreundschaft oder Freiheit, der Auflösung des klaren Gut-Böse-Unterschieds und der verschiedenen Gewalt-Mythen in der amerikanischen Populärkultur stellt Peckinpah nichts Positives, keine Alternative gegenüber. Zeitzeichen der Moderne, wie Maschinengewehre, automatische Pistolen oder Automobile dienen jederzeit allein dazu, brutal das Ende einer Ära einzuläuten.

The Wild Bunch ist das, was gemeinhin „ein Männerfilm“ genannt wird. Doch wenngleich seine Kritik an dem männlich dominierten Kosmos, dem er selber angehört, zwangsläufig affirmativ bleibt, seine folgenschwere Intensität der Zerstörung ist bis heute wirksam.

Jan Distelmeyer