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Feier bei den Geburtshelfern der deutschen Einheit

■ Ungarn bekräftigt seinen dringenden Wunsch auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Ministerpräsident Orban bemängelt die EU-Außengrenze zu Österreich

Budapest (AP) – Eine knapp einen halben Meter hohe Skulptur bekam Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern bei seiner Ankunft in Budapest geschenkt. Sie sollte das zu Feiernde symbolisch überhöhen: Drei menschliche Figuren, die über Mauern hinweg untrennbar zusammenhalten, standen allegorisch für Deutschland, Österreich und Ungarn.

Zum Festakt hatten sich zunächst drei Staatsmänner im prunkvollen Kongresssaal des Parlaments zusammengefunden: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die Bundeskanzler Österreichs und Deutschlands, Viktor Klima und Gerhard Schröder. Bei den Reden spielte als Konsequenz aus den Ereignissen von 1989 eigentlich nur ein Thema eine Rolle: Das nächste Zusammenfinden – sprich: die Mitgliedschaft Ungarns in der Europäischen Union.

Ungarn kann es kaum erwarten. Selbstbewusst nahm Orban die gerade erfolgte Aufnahme seines Landes, Polens und Tschechiens in die Nato als Beispiel. Die Nato habe bereits erkannt, wie nun „in ihre eingeschlafenen Glieder wieder frisches Blut hereinströmt“.

Der ungarische Ministerpräsident bemängelte dabei, dass zwischen Österreich und Ungarn der Eiserne Vorhang auch nach zehn Jahren noch durch die Grenze zwischen EU und Nicht-EU ersetzt ist. Die im Redemanuskript vorgesehene Passage „mit verschärften Kontrollen“ ließ er jedoch weg. „Ungarn ist der Geburtshelfer des Deutschlands des 21. Jahrhunderts“, erinnerte Orban.

Den Ehrengästen kamen bei seinen Worten die Szenen in Erinnerung, wie damals Zigtausende DDR-Bürger an der Grenze ohne weitere Probleme in die Freiheit entlassen wurden. Es war der Massenexodus, der letztlich die Mauer in Berlin zum Fallen brachte und die historische Wende Osteuropas zur Demokratie ermöglichte.

Auch Schröder bekräftigte sowohl in seiner Rede als auch in den Gesprächen mit den ungarischen Spitzenpolitikern, dass Deutschland nach wie vor „hart arbeiten“ werde, dass Ungarn möglichst bald Mitglied der EU wird. Bis dahin sei die „europäische Frage“ offen.

Der Pragmatiker unter den Festrednern war diesmal Österreichs Bundeskanzler Viktor Klima. Er lobte vor allem die Fortschritte in der regionalen Zusammenarbeit. Unabhängig von dem Zeitpunkt für den EU-Beitritt Ungarns wollte er „ein Gemeinschaftprojekt nicht unerwähnt lassen – die gemeinsame Kandidatur für die Austragung der Fußballeuropameisterschaft 2004“. Es wäre nicht das erste Mal, dass sportliche Aktivitäten politischen Prozessen gedient hätten.

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