: „Eine neue Generation – im Jahr 2005“
■ Klaus-Rüdiger Landowsky, Chef der CDU-Fraktion, hofft auf eine Person aus dem Bonner „Elitepotential“, die die Partei zusammenhalten soll. Die SPD hält er für „intellektuell unterwickelt“, der Austausch mit den Grünen sei dagegen produktiv
taz: Herr Landowsky, Anfang des Jahres hatten Sie den Entschluss gefasst: Ich höre auf. Sie wollten sich aus dem aktiven politischen Geschäft zurückzuziehen und anderen die Führung in der Partei zu überlassen. Jetzt kandidieren Sie doch wieder. Ist in der CDU noch keiner reif, die führende Rolle – in der Partei wie in der Fraktion – zu übernehmen?
Landowsky: Doch, es gibt in der CDU sehr viele junge Leute, die – so glaube ich – ein gutes Nachwuchspotential für uns sind. Wir haben sehr lange überlegt. Wir erleben ja einen historischen Abschluss am Ende dieses Jahrhunderts. Man schaut zurück und blickt auf eine Nachkriegsentwicklung – und hat diese in bescheidenem Umfang auch mitgestaltet – an deren Ende Berlin wieder Hauptstadt im wiedervereinigten Deutschland ist. Das ist die Vision, für die wir alle gearbeitet haben. Ich habe sehr oft mit Eberhard Diepgen darüber gesprochen, und wir haben uns dann gesagt: Berlin ist noch eine Stadt im Umbruch, in den nächsten fünf Jahren steht die ganze wirkliche Haupstadtwerdung bevor, die neue Rolle Berlins zwischen Ost und West muss gefunden werden, und hoffentlich gibt es einen neuen Anlauf zur Fusion mit dem Nachbarland Brandenburg – das ist doch eine spannende Phase. Und deshalb habe ich mich entschieden noch einmal zu kandidieren. Ich will dafür mithelfen, dass Eberhard Diepgen wieder Regierender Bürgermeister wird, das ist für mich ein Hauptmotiv.
Also kein Eberhard Diepgen ohne Klaus Landowsky?
Nein, so kann man das nicht sehen. Aber wir zwei arbeiten seit den Sechzigerjahren zusammen, haben dafür gekämpft, dass wir eines Tages diese Phase erleben. Und wir wollten zusammen aus der CDU eine offene und liberale Großstadtpartei machen. Dies gilt es heute zu verteidigen. Denn sowohl das Sozialempfinden für die kleinen Leute als auch den Zugang zu den Intellektuellen und Künstlern in dieser Stadt gleichermaßen zu haben, das ist eine Brücke, über die in der CDU nicht jeder gehen kann.
Sie betonen immer wieder die liberale Großstadtpartei, haben diese sogar als Ihr Lebenswerk beschrieben. Haben Sie das nun erreicht?
Ja. Und ich kann sagen, das ist das Erfolgsrezept überhaupt: Die CDU hat zu sozialen Milieus Zugang gefunden, an die wir mit unserem generellen Image normalerweise nicht herankommen. Dazu gehören Sensibilität, ein bisschen Toleranz gegenüber dem Nicht-Herkömmlichen. Wenn die Union das eines Tages wieder aufgibt und sich ideologisch ordnungspolitisch rückbesinnen sollte auf die 70er-Jahre, dann wird sie in Berlin wieder eine Partei in der Opposition sein.
Besteht die Gefahr?
Ich hoffe nicht. Wir haben viele offene junge Leute, die auf unserem Weg mitgehen werden.
Aber etwa die Aufkleberaktion ihres Kreuzberger Nachwuchses „Deutschland muss in Kreuzberg wieder erkennbar sein“ ging da in eine ganz andere als in eine liberale Richtung, betonte eine ganz andere Deklination christdemokratischer Politik.
Ich glaube, man hat die jungen Leute dort auch missverstanden. Der äußere Eindruck war ein anderer als das, was die Leute vermitteln wollten. Das sind 16- bis 17-Jährige gewesen, keine ausgereiften Politiker.
Und wer ist dann die CDU von morgen?
Da sind viele zu erwähnen. Der älteste unter den Jungen etwa ist Wirtschaftsenator Wolfgang Branoner, natürlich gehören dazu auch Finanzstaatssekretär Peter Kurth, Heiner Kausch aus Wedding, der Wirtschaftspolitiker Frank Steffel, Monika Grütters und Kerstin Richter, um nur einige zu nennen.
Gehe ich die Bezirke in Gedanken durch, fallen mir schnell etwa 15 bis 20 Leute ein, von denen ich sage, das ist eine gute jüngere Mannschaft. Ich glaube, dass dieses Team etwa im Jahr 2005 so fit ist, dass es sagen kann: Wir sind jetzt in der Lage, die Ideen in das neue Jahrhundert zu tragen. Und dieses neue Jahrhundert, das erfordert ja auch diese neuen Leute mit anderen Ideen. Wir werden doch einen mentalen Umschwung haben, dafür brauchen wir auch eine neue Generation.
Nun besteht die Berliner CDU ja nicht gerade ausschließlich aus den liberalen Nachwuchspolitikern, wie Sie sie hauptsächlich genannt haben. Wird die CDU es auch künftig schaffen, die verschiedenen Flügel zusammenzuhalten?
Die CDU ist doch die einzige funktionierende Volkspartei! Unsere Spannbreite ist weit größer als die der Sozialdemokraten. In Zukunft allerdings werden wir den Zusammenhalt der verschiedenen Teile verstärkt über Persönlichkeiten schaffen müssen.
Und wer wird das sein bei der Berliner CDU?
Das kann man jetzt nicht sagen. Zu unserer Zeit damals war das auch unklar. In der Nachfolgediskussion nach Richard von Weizsäcker gab es mehrere Personen: Da war zum Beispiel Hanna-Renate Laurien, auch Ernst Benda und eben Eberhard Diepgen. Und damals hat sich die Partei für die junge Lösung Eberhard Diepgen entschieden. Er war erst 43 Jahre alt, als er Regierender Bürgermeister wurde. Und eines darf man nicht vergessen: Berlin ist eine Stadt, die sehr schnell integriert. Die Berliner werden auch die Bonner integrieren. Und daraus erwächst ein neues Elitepotial – übrigens für alle Parteien. Zwar passt nicht jeder Politiker, der hierher kommt, zu dieser Stadt, aber es wird welche geben. Und da sage ich: Lasst uns den Besten aussuchen.
Wird für die CDU auch eine neue Farbenlehre, also Schwarz-Grün, diskutabel?
Das ist kein CDU-Problem, das ist ein Problem der Grünen, zumal in Berlin. Hier sind die Wurzeln der Grünen linkssozialistischer bis kommunistischer Natur – per se ein Hindernis in der Zusammenarbeit mit der Union. Aber auch bei den Grünen ist ja demnächst ein Generationswechsel fällig. Dann bestimmen nicht mehr ein Wolfgang Wieland oder eine Renate Künast das Geschehen. Wir werden sehen, dass auch bei den Grünen undogmatischer Nachwuchs Einzug halten wird. Dabei ist es oftmals produktiv, mit den Grünen den intellektuellen Austausch zu suchen. Die SPD dagegen ist intellektuell unterentwickelt. Insofern gibt es Ansätze, aber im Moment ist Schwarz-Grün in Berlin nicht denkbar.
Wird diese Farbenkonstellation in der Berliner CDU überhaupt diskutiert?
Natürlich, es gibt auch die entsprechenden Gesprächskreise.
Und wo sehen Sie Gemeinsamkeiten?
Einend ist meines Erachtens ein ähnliches Verständnis von Kunst und Kultur. Unser Kulturverständnis beruht im Kern darauf, dass sich Kultur unbelastet entfalten können muss. Mit einer solchen Grundhaltung ist die Diskussion mit den Grünen möglich. Dies ist deshalb ein Ansatzpunkt, weil es sich dabei um eine Wertediskussion handelt. Daran müsste man also arbeiten. Es geht um die Frage, welchen Stellenwert nimmt Liberalität im gesellschaftlichen Prozess ein. Und langfristige Gemeinsamkeiten stellen sich nur über gemeinsame Wertevorstellungen her.
Im aktuellen Wahlkampf steht die CDU in den Umfragen zwar gut da, obwohl sie auch nur ein „Weiter so“ der auch in ihrer Partei wenig geliebten Großen Koalition anbietet. Warum also CDU wählen?
Die bessere Lösung ist immer der Feind der guten. Aber wir müssen mit den Szenarien zurechtkommen, die der Bürger uns gibt. Und ich habe das Gefühl, dass der Bürger oft klüger ist als die Parteien. Die Parteien lieben so manche Konstellationen nicht, die die Bürger erzwingen wollen. Aber einen Aspekt muss man sich darüber hinaus noch ansehen: die vielfachen gravierenden sozialen Probleme der Stadt. Angefangen von den Bildungsproblemen bis zur Krankenhausproblematik. In den nächsten kritischen fünf Jahren ist eine stabile politische Situation existenziell – nicht Rot-Grün oder gar Regieren mit Hilfe der PDS. Ich will nicht, dass in diese Stadt mit ihren schwankenden Stimmungen ein revolutionärer Funke fliegt.
Sie setzen auch in Ihrem Wahlkampf stark auf die soziale Karte – nicht gerade das originäre Feld der Christdemokraten. Ist die SPD in Berlin so schlecht, dass der Platz frei ist, die bessere SPD zu sein?
Ja, also mit Verlaub, mit schlecht hat das nichts zu tun. Es ist die verkündete Politik der SPD, im Bund wie in Berlin, die Sorgen der kleinen Leute vor der Tür zu lassen. Was die SPD da macht, ist mir völlig unverständlich. Es fängt ja schon mit so Kleinigkeiten an: Man kann als Kandidat der SPD nicht aus dem Fünf-Sterne-Hotel Hilton verkünden: Es müssen mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut werden. Kein Mensch versteht die Nummer. Wenn Walter Momper in die Personalversammlung käme, könnte er mit den Leuten ja reden, aber so ... Das Gerieren ist mir völlig unverständlich. Wenn ich mir da die Sozialdemokraten früherer Jahre auch in Berlin ansehe – Kurt Neubauer etwa – da hat man noch Leben gespürt! Noch vor wenigen Jahren gab es zum Beispiel jemanden wie Ditmar Staffelt, den Chef in Partei und Fraktion. Aber den haben die Berliner Sozialdemokraten ja in die Wüste geschickt. Wenn Sie sich dagegen das jetzige Personaltableau ansehen ...
Und Walter Momper – der SPD-Spitzenkandidat war ja durchaus bekannt für seine lebensnahe Art. Hatten Sie denn in irgendeiner Phase des Wahlkampfes Angst vor Walter Momper?
Ja. Mompers Sieg 1989 hat schon eine emotionale Beeinträchtigung hinterlassen. Das hat uns damals völlig unvorbereitet getroffen. Und die zwanzig Monate Rot-Grün sind uns als Albtraum im Gedächtnis geblieben. Als Momper nominiert wurde, wussten wir gar nicht wie er sich gerieren würde. Aber es hat nicht lange gedauert, dann wussten wir: Er ist eine Person der Vorwendezeit. Ein Mann der eigenen Partei, Klaus Bölling, hat das neulich ja sehr deutlich gesagt.
Sie warnen zwar noch davor, sich von den guten Prognosen für die CDU einlullen zu lassen, aber eigentlich sehen Sie das Rennen doch schon als fast gelaufen an. Haben Sie dann auch schon ein Wunschkabinett?
Nein. Das will ich auch Eberhard Diepgen überlassen. Klar ist nur, es muss eine Synthese aus Erfahrung und Erneuerung sein.
Bleibt also Kultursenator Peter Radunski? Oder was ist mit Innensenator Werthebach, der durch die Affären der vergangenen Wochen gezeichnet ist?
Mann kann zumindest sagen, Wolfgang Branoner, Werthebach und Radunski genießen schon Ansehen in der Partei. Verkehrssenator Jürgen Klemann und Gesundheitssenatorin Beate Hübner werden, so denke ich, nicht wieder kandidieren. Aber abwarten, man muss sehen, wie nach der Wahl die Stärkeverhältnisse aussehen.
Große Querelen gab es in den vergangenen Monaten zwischen SPD und CDU immer wieder um die Innenpolitik. Nun stellt die CDU in dieser Großen Koalition bislang dauerhaft den Innensenator. Hat die SPD überhaupt eine Chance, diesen Posten zu übernehmen?
Das Innenressort ist für die CDU schon ein sehr wesentliches Ressort. Schon weil in der Frage der Sicherheit der Bürger die Differenzen mit allen anderen Parteien sehr groß sind. Ich sehe bei der SPD aber ohnehin keinen, der in der Lage wäre, die Aufgabe zu übernehmen.
Und wie sieht es mit dem Finanzressort aus? Die CDU kritisiert doch fortlaufend die „unsoziale“ Politik der Finanzsenatorin. Da wäre es doch an der CDU, zu zeigen, wie sie es besser machen will.
Das ist für uns keine essenzielle Frage. Ich denke sogar, die Bereiche Wirtschaft und Finanzen sind austauschbar. Einer übernimmt die Finanzen, der andere das Wirtschaftsressort.
Die CDU-Senatoren sollen größtenteils bleiben, die Bereiche Wirtschaft und Finanzen sind austauschbar, und an der Fortsetzung der Großen Koalition zweifeln Sie auch nicht. Das klingt ja alles sehr gelassen. Fanden Sie an diesem Wahlkampf denn überhaupt irgendetwas spannend?
Nein. Spannend wird allerhöchstens die Frage der Wahlbeteiligung. Interview: Barbara Junge
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