: Sozialdemokraten reif für die Transplantation
■ SPD steht ohne Herzkammer da: Rhein und Ruhr werden schwarz. Zwei Beispiele: Dortmund fällt an die CDU, in Mülheim liegt die SPD nur im Stadtrat knapp vorne
Dortmund/Mülheim (taz) – Die Sozialdemokraten haben in ihrer traditionellen Hochburg Dortmund mehr als 10 Prozent verloren und liegen nur noch bei 41,2 Prozent. Damit ist ihre seit Kriegsende sichere absolute Mehrheit dahin. Auch im Kampf um das Amt des Oberbürgermeisters liegt die SPD hinten: Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis lag CDU-Kandidat Volker Geers mit 45,6 Prozent vorn. Der äußerst blasse SPD-Kandidat Gerhard Langemeyer kam nur auf 42,2 Prozent. Damit wird in der Revierstadt eine Stichwahl fällig. Die Hintergründe für die erdrutschartigen Verluste der SPD in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ (Herbert Wehner) dürften vor allem in der Rotlichtaffäre und dem Steuerskandal des ursprünglichen SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Franz-Josef Drabig zu suchen sein.
CDU-Kandidat Geers ist zufrieden: „Das ist ein sensationelles Ergebnis für die Dortmunder CDU. Wir haben unser Ziele erreicht: Die absolute SPD-Mehrheit im Rat ist weg. Und wir gehen in die Stichwahl.“
Auch im Rat werden die Karten neu gemischt. Die Konservativen liegen mit insgesamt 41,5 Prozent knapp vor der SPD und konnten damit die absolute Mehrheit der SPD brechen. Nun werden die Grünen das Zünglein an der Waage: Sie konnten 10,1 Prozent erringen und sich damit auf hohem Niveau stabilisieren.
Trotz des schlechten Abschneidens gibt sich SPD-Kandidat Langemeyer optimistisch. Er begreift das Ergebnis als Denkzettel: „Wir sind durch Nichtwahl abgestraft worden.“ Der Sozialdemokrat will nun für die Stichwahl mehr SPD-Wähler mobilisieren: „Der Wahlkampf läuft hier in Dortmund noch auf Hochtouren.“
In Mülheim zeigte sich der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, Thomas Schröer, zufrieden, obwohl er mit dem Zwischenergebnis von 43,66 zu 43,88 Prozent für den CDU-Mann Baganz hinter der Konkurrenz landete: „Auf Grund der dramatischen Einbrüche für die SPD in den umliegenden Städten muss ich das Ergebnis als gut bewerten.“ Er sehe eine hervorragende Ausgangssituation für die Stichwahl. Abgeschlagen auf dem dritten Platz: Die grüne Kandidatin Annette Lostermann-DeNil, die unter 5 Prozent lag. Der 37-jährige Baganz ist begeistert: „Das Ergebnis ist für als OB-Kandidaten fantastisch“, sagt der im Veba-Konzern für Personalpolitik zuständige Manager.
Im Stadtrat wird demnächst wahrscheinlich wieder die SPD herrschen. Sie erzielte in den Stadtbezirken zwischen 37,9 und 51,6 Prozent. Und lag damit deutlich vor der CDU, die zwischen 34 und 43 Prozent erringen konnte. So zumindest der Stand um 19.20 Uhr.
In Mülheim ergriffen CDU und Grüne 1994 „die einzige Chance, im Revier eine neue Politik jenseits der SPD“ zu betreiben, wie es der bündnisgrüne Noch-Bürgermeister Wilhelm Knabe formulierte. Die erste schwarz-grüne Koalition in einer bundesdeutschen Großstadt entstand, und, was mehr zählt: das erste solche Bündnis im damals noch roten Ruhrgebiet. Sie brach vor acht Monaten aufgrund einer Personalentscheidung. „Was wir mit der CDU geschafft haben, hätte mit der SPD in 20 Jahren nicht geklappt“, resümierte Wilhelm Knabe seinerzeit. Doch es gab auch Kritiker, wie Lothar Reinhardt, der die Grünen zwischenzeitlich verließ und der nun auf der Liste „Mülheimer Bürgerinitiativen“ für den Stadtrat kandidierte. Mit Erfolg. Um 19.20 lagen die MBI in allen drei Stadtbezirken deutlich über 5 Prozent, teilweise sogar vor den Grünen.
Mit wem die SPD koalieren will, möchte ihr OB-Kandidat Thomas Schröer noch nicht verraten: „Fest steht: Es reicht nicht für Schwarz-Grün. Und wir können von der CDU bis zu den Mülheimer Bürgerinitiativen mit jedem zusammengehen.“ Marcus Meier, Andreas Wyputta
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