: „No future“ für 600 Leute
■ Albingia: MitarbeiterInnen protestieren gegen Entlassungen vor Versammlung der Aktionäre. Die stimmen der Fusion zu
Wut und Empörung bei den Beschäftigten der Albingia-Versicherung, nachdem bekannt gegegeben worden ist, dass 600 MitarbeiterInnen in der Hamburger Hauptverwaltung nach der Übernahme durch die Kölner Axa-Colonia-Gruppe ihren Job verlieren werden. Gestern protestierten 50 Albingianer vor der Aktionärsversammlung im Interconti-Hotel gegen die Pläne des Managements und verteilten die Colonia-„Vorzugsaktie“ – „No future now – 600 zerstörte Existenzen, 600 Gründe, gegen die Fusion zu stimmen“. Doch die Aktionäre stimmten dem Deal zu.
„Damit wird auch diese Unternehmensfusion auf den Rücken der Beschäftigten ausgetragen“, empörte sich das DAG-Vorstandsmitglied Gerd Herzberg. Und auch für den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und Chef der Gewerkschaft Handel, Banken und Vericherungen (HBV), Hinrich Feddersen, sind die Pläne „ungeheuerlich“ und „ein Schlag unter die Gürtellinie.“
Der Kahlschlag bei der Albingia durch die AXA–Colonia-Gruppe beruht nicht auf wirtschaftlichen Zängen. „Die Albingia hat das letzte Geschäftsjahr mit satten schwarzen Zahlen abgeschlossen.“, berichtete Betriebrätin Relindis Baehr und nannte das Vorgehen daher „unmenschlich und unsozial“. So stiegen nach Angaben der HBV die Aktionärs-Dividenden in den letzten vier Jahren von sechs auf achtzehn Mark. „Von 1994 bis 1998 stieg der Gewinn vor Steuern von 26 Millionen auf 126 Millionen Mark“, so HBV-Sprecher Jörg Reinbrecht. Darin seien die satten Rücklagen, die das Unternehmen gebildet hat, nicht eingerechnet. Das Beitragsaufkommen lag bei der Albingia in vorigen Geschäftsjahr bei 1,5 Milliarden Mark.
Durch den Kahlschlag bei der Albingia und dem Killen der Traditionsversicherung versucht der französische Axa-Konzern offensichtlich die Neuordnung des europäischen Versicherungsmarktes zu forcieren, an dessen Ende vermutlich nur noch wenige Giganten stehen werden – in Deutschland das Allianz-Münchner Rück-Konsortium, die Aachen-Münchner-Beteiligungsgesellschaft sowie die Axa-Colonia-Gruppe. Während die anderen beiden Versicherungsgiganten stets bemüht sind, alte Versicherungen eigenständig als Marken weiter zu führen (Hamburg-Mannheimer, Volksfürsorge, Victoria, DKV) herrscht im Axa-Konzern offensichtlich die Unternehmensphilosophie: Alles aufkaufen, eingliedern und plattmachen.
Ob sich diese Strategie bei der Albingia widerstandslos durchsetzen läßt, ist allerdings fraglich. „Der Axa-Colonia-Konzern muß mit heftigen Auseinandersetzungen rechnen“, kündigte HBV-Chef Hinrich Feddersen für den Fall an, dass der Konzern an dem Personalabbau festhält. Bereits heute soll nach einer Betriebsversammlung durch die City demonstriert werden. „Wir können die Fusion nicht verhindern“, ist Reinbrecht aber klar. Daher mahnt er eine europäische Kartellgesetzgebung an, um die mächtigen Finanzkonzerne zu stoppen. Kai von Appen.
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