: Eisenfetischisten
■ Hyperbolischer Deadtech-Punk: Die japanische Band Melt Banana im Tacheles
Zugegeben, nach dem Konsum von japanischer Popkultur ist man immer ein bisschen ratlos und verblüfft. Denn ob nun Filme über Eisen- oder Papierfetischisten, Cyberporno-Mangas oder ultrabrutale Sounds und Geräuschkulissen: So übersteigert futuristisch und apokalyptisch die sind, lassen sie sich oft überhaupt nicht analysieren, man erfährt sie bloß noch physisch, und das bis zur Schmerzgrenze. Doch genau deshalb macht dieses komische Zeugs aus Japan so viel Spaß.
Auch Melt Banana kommen aus Japan, wahrscheinlich aus Tokio, ganz einfach deshalb, weil die ganze extreme japanische Popkultur einfach immer aus Tokio kommt. Auch ihre Musik ist eher eine physische als eine intellektuelle Erfahrung, auch ihre Auftritte machen vor allem eins: unbändigen Spaß.
Wie könnte man Melt Bananas Musik nennen? Schlacker-Hardcore? Hyperbolischen Deadtech-Punk? Oder einfach bloß Punk? Denn das, was Bands wie Green Day oder Offspring machen, ist Bubblegum-Musik, und das was man bei Melt Banana findet – die hysterischen Steigerungen, die fleischgewordenen Exzesse –, enthält zumindest den Geist von Punk. Man muss sich das live so vorstellen: Vier kleine Menschen auf der Bühne. Schlagzeuger, Bassist und Gitarrist quälen konzentriert und ohne eine Miene zu verziehen ihre Instrumente und weben einen total hektischen Lärmteppich, dem sie dann und wann auch eine Struktur versuchen zu geben. Und in der Mitte ist diese Sängerin, die rumzuckt, rumkreischt, total aufgeregt ist, gerne irgendwelche Geschichten in schlechtem Englisch erzählt und sich natürlich darüber freut, dass sie „Guten Tag“ und „Vielen Dank“ auf Deutsch sagen kann. Zusammen ergibt das einen hochkomplexen Soundbrei, der auf hicksenden Nervenzusammenbruchs-Gesang trifft.
Vor ein paar Jahren waren Melt Banana zusammen mit Zeni Geva auf Deutschlandtour. Zeni Geva machen düsteren Schwermetall mit leichtem Irrentouch, ihr Sänger nennt sich KK Null und kann kein Englisch. Gemeinsam sind diese beiden Bands Teil eines seltsamen transatlantischen Verbunds, der sich locker um das in Chicago ansässige Label Skin Graft zentriert. Dort liebt man diesen Musik gewordenen Wahnsinn aus Japan genauso wie die hauseigene Band US Maple, dort versucht man, genau die Leute zu missionieren, die auf der Suche nach Extremen sind. Was auch leidlich funktioniert.
Denn als Melt Banana und US Maple vor zwei Jahren im Roten Salon auftraten, platzte der Laden aus allen Nähten. Und ob es nun die performative Überreizung war oder die musikalische, blieb letzten Endes egal: Das Konzert war einfach großartig.
Andreas Hartmann ‚/B‘ Ab 22 Uhr, Cafe Zapata im Tacheles, Oranienburger Str. 154 – 156
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