: Wasser-Privatisierung gestoppt
■ Senat beschließt, den Vollzug des Verkaufs der Berliner Wasserbetriebe bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts auszusetzen. Opposition: Schwere Schlappe
Die Milliarden fließen vorerst nicht. Gestern hat der Senat beschlossen, den Vollzug des Teilverkaufs der Berliner Wasserbetriebe (BWB) auszusetzen – bis sich das Berliner Verfassungsgericht darüber im Klaren ist, ob das Gesetz zur BWB-Privatisierung verfassungskonform ist oder nicht. Die Richter werden ihre Entscheidung erst nach den Wahlen, voraussichtlich am 21. Oktober, verkünden. Die Investoren, die RWE/Vivendi/Allianz-Gruppe, müssen der Aussetzung des Verkaufsvollzugs noch zustimmen. Die Finanzverwaltung werde die Investoren darum bitten, erklärte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) gestern. Nach entsprechenden Sondierungsgesprächen mit den Investoren sei sie optimistisch, dass diese ihr Okay geben würden, so Fugmann-Heesing.
Der Senat hält das Privatisierungsgesetz und die darauf aufbauenden Verträge, die ein Gesamtvolumen von 3,1 Milliarden Mark haben, allerdings weiterhin für verfassungsgemäß. Die gestrige Entscheidung habe man allein aus Rücksicht auf das schwebende Gerichtsverfahren getroffen, sagte Fugmann-Heesing auf Nachfrage. „Aus Achtung vor der Würde des Gerichts wollten wir keine Fakten schaffen“, so die Finanzsenatorin.
Die beiden Oppositionsparteien PDS und Grüne, die die Verfassungsklage angestrengt hatten, sehen dies freilich anders. „Nach der gescheiterten Flughafenprivatisierung hat der Senat ein weiteres Mal bei einem Großprojekt Schiffbruch erlitten“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Vollrad Kuhn. Auch PDS-Fraktionschef Harald Wolf begrüßte die gestrige Senatsentscheidung: „Wir haben einen wichtigen Etappensieg erzielt.“
Hintergrund ist ein Antrag der Opposition auf eine einstweilige Anordnung vor dem Verfassungsgericht. Damit sollte verhindert werden, dass noch vor einer endgültigen Entscheidung des Verfassungsgerichts vollendete Tatsachen geschaffen und die Verträge wirksam werden. Offenbar sei das Risiko für den Senat zu groß gewesen, eine solche einstweilige Anordnung zu kassieren, meinte Kuhn. Gerade im Wahlkampf hätte dies peinlich werden können. Deshalb habe Fugmann-Heesing nun eingelenkt, so Kuhn.
Die gestrige Senatsentscheidung hat auch haushaltspolitische Konsequenzen: Der Haushalt 1998, in dem die Verkaufserlöse als Restbetrag eingeplant sind, kann nicht geschlossen werden. Darüber hinaus kostet der Nichtvollzug des Verkaufs Geld: täglich 300.000 Mark, so der Sprecher der Wirtschaftsverwaltung, Dirk Wildt. Grund: Die so entstandene Haushaltslücke muss durch Zwischenkredite finanziert werden. Für diese werden Zinsen fällig. „Dass muss die Opposition verantworten“, sagte Wildt.
Die weist diese Vorwürfe zurück. „Für die unseriösen Verkaufspraktiken ist allein der Senat verantwortlich“, so Wolf. Die Verfassungsklage sei im Übrigen nötig gewesen, um weiteren Schaden vom Land Berlin und den Bürgern abzuwenden. Schließlich könnten durch den BWB-Teilverkauf deutliche Steigerungen der Wassergebühren anstehen. Die PDS gehe davon aus, dass sich das Gericht auch in der Sache den verfassungsrechtlichen Einwänden der Opposition nicht verschließen wird, so Wolf. Richard Rother
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