: Haushalt dem Wahlkampf geopfert
■ CDU und SPD können sich vor den Wahlen nicht mehr auf einen Haushalt einigen. Die Finanzsenatorin lehnt Mehrausgaben strikt ab. Werthebach aber will mehr Polizisten und Radunski mehr Kultur
Das Land hat keinen Haushalt, und niemand will's gewesen sein. „Der Senat hat über den Haushalt für das Jahr 2000 keinen Beschluss gefasst“, sagte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) nach der gestrigen Kabinettssitzung. Gescheitert sei die Aufstellung des Eats an der „mangelnden Bereitschaft“ der CDU-Senatoren, „mit den vorhandenen Mitteln zu wirtschaften“. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) bezeichnete die Kompromissbereitschaft seiner Partei hingegen als „sehr hoch“. Offensichtlich gehe es der SPD nur ums Prinzip.
Einig waren sich die Kontrahenten, die Ausgaben auf rund 40 Milliarden Mark zu begrenzen und zu diesem Zweck 1,6 Milliarden Mark einzusparen – nach den Wahlen, versteht sich. Strittig waren zuletzt nur noch 35 Millionen Mark, also rund 0,1 Prozent des Haushaltsvolumens. 20 Millionen verlangte Kultursenator Peter Radunski (CDU), 15 Millionen reklamierte Werthebach für sich.
Nach Darstellung von Fugmann-Heesing hatte sich die SPD in der Vorwoche bereits mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) auf einen Kompromiss geeinigt, den Radunski und Werthebach mit ihren Forderungen wieder torpediert hätten. Werthebach erklärte gestern, Diepgen habe nur ein „Sondierungsgespräch“ geführt: „Es hat keine Einigung gegeben.“
In der vergangenen Woche hatten SPD und CDU noch auf getrennten Pressekonferenzen über den Stand der Haushaltsberatungen berichtet. Gestern beharkten sich Fugmann-Heesing und Werthebach in direkter Konfrontation. Ein ungewöhnlicher Vorgang: Sonst pflegt die Finanzsenatorin alleine über Etatentwürfe zu referieren.
Innensenator Werthebach verlangte zuletzt 83 Stellen zusätzlich für den Schutz von Regierung, Parlament und Botschaften. Einen Verzicht auf diese Mehrausgaben lasse die Sicherheitslage nicht zu. Fugmann-Heesing betonte hingegen, es sei ein „falsches Signal“, bei der Polizei zusätzliche Stellen zu schaffen, während in allen anderen Bereichen Personal abgebaut werden müsse.
Der bündnisgrüne Haushaltsexperte Burkhard Müller-Schoenau warf dem Senat vor, das Parlament zu missachten. Am vergangenen Donnerstag hatte das Abgeordnetenhaus den Senat mit Stimmen aus allen Fraktionen dazu aufgefordert, noch vor der Wahl einen Haushaltsentwurf vorzulegen. Wer vor dem 10. Oktober nicht darlege, wie er seine Wahlversprechen erfüllen wolle, „der hat Wahlbetrug schon fest eingeplant“. Auch der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf warf der Koaliton vor, sie wolle sich „über den Wahltag mogeln“. Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen