Baraks neuester Schachzug

■ Künftige palästinensische Hauptstadt Abu Dis soll Jerusalem eingegliedert werden

Jerusalem (taz) – Provokation, Taktik oder ernsthafter Wille zum Kompromiss in der Jerusalemfrage? Einen Tag nach Beginn der Verhandlungen mit den Palästinensern hat die israelische Regierung gestern konkrete Schritte angekündigt, um ihre Souveränität über Jerusalem zu festigen. Nach einem Treffen mit dem „Jerusalem-Komitee“, das im israelischen „Jerusalem-Ministerium“ angesiedelt ist, kündigte Ministerpräsident Ehud Barak die Absicht an, die Verwaltungsgrenzen der Stadt auszuweiten. Damit würde auch der arabische Vorort Abu Dis eingemeindet werden.

Abu Dis liegt direkt an der Stadtgrenze Jerusalems. Während der türkischen Herrschaft gehörte der Ort zu Jerusalem, er wurde aber mit der Staatsgründung Israels abgetrennt. Schon ein viel zitiertes, aber nie vollständig veröffentliches Abkommen, das der jetzige Justizminister Yossi Beilin und Arafats Stellvertreter Mahmoud Abbas (Abu Mazen) vor vier Jahren zur Jerusalemfrage abgeschlossen haben, soll Pläne enthalten, das palästinensische Parlament in Abu Dis anzusiedeln. Der Ort, in dem ausschließlich Palästinenser wohnen, könnte nach einer Staatsgründung palästinensische Hauptstadt werden. Eine Art Korridor soll den neuesten Plänen zufolge den Palästinensern von Abu Dis aus freien Zugang zum Tempelberg und damit zur Al-Aksa-Moschee und zum Felsendom in Jerusalem ermöglichen. Sollten die Vorschläge des Komitees durchgesetzt werden, stärken sie die Stellung der Israelis im Ringen um Jerusalem. Ohne weitere wichtige Teile der Stadt aufgeben zu müssen, könnte Israel eine palästinensische Hoheit über Abu Dis zulassen. Gleichzeitig könnten die Palästinenser ihre Hauptstadt formell in einem Teil Jerusalems ausrufen.

Beim Auftakt der Verhandlungen am Grenzübergang zum GazaStreifen war von einer Lösung des Jerusalemproblems aber keine Rede. Der israelische Außenminister Levy unterstrich vielmehr: „Ein vereinigtes Jerusalem wird die Hauptstadt des Staates Israel bleiben.“ Der palästinensische Verhandlungsführer Mahmoud Abbas bestand seinerseits darauf, dass das heilige Jerusalem die Hauptstadt von Palästina werden müsse.

Die Verhandlungspartner haben sich selbst unter einen massiven Zeitdruck gestellt. Schon in fünf Monaten wollen die Israelis ein Vertragswerk vorlegen. In einem Jahr sollen dann die Verhandlungen abgeschlossen sein. Schimon Peres, der ehemalige Ministerpräsident und jetzige, weitgehend kompetenzlose Minister für regionale Zusammenarbeit, stellte deshalb den Zeitplan seiner Regierung in Frage. Monique Junker