: Körper und Seele
■ Geschmackvoll: Der New Yorker House-Produzent Anthony Nicholson im WMF
Wer dieser Tage den Händler seines Vertrauens nach House-Musik New Yorker Provenienz fragt, wird entweder freudestrahlend und schwer bepackt an den heimischen Plattenspieler eilen oder kopfschüttelnd und um keinen Pfennig ärmer den Laden verlassen.
Die Fusion-Welle scheint bis in die kleinsten Kellerstudios zu schwappen – was zur Folge hat, dass ein Großteil der aktuellen Erscheinungen klingt, als hätten Fela Kuti und João Gilberto mit ihren Lieblingspercussionisten zu lange in der Sonne gesessen. Wo House drauf steht, ist immer öfter Jazz drin. Latin-Grooves, Afrobeat und vibraphonlastiger Jazz-Funk feiern ein massives Comeback und düften einen Großteil der hedonistischen House-Fraktion eher verstören als entzücken.
Epizentren des neuen alten Sounds sind Labels wie Spiritual Live, Ibadan und Wave sowie der allsonntäglich in New York stattfindende „Body & Soul“-Club – Wohnzimmer und Versuchslabor der eng verknüpften Szene in einem. Auch Anthony Nicholson gehört dort zum Inventar.
Als Protegé und Partner Ron Trents, der sich Mitte der Neunziger mit seinem damaligen Busenfreund Chez Damier um die tiefere Klangschichten auslotenden House-Spielarten verdient machte, eilt Nicholson ein Ruf voraus, den er mit jeder Platte seines Clairaudience-Labels und jedem der zahlreichen Remixe mehr als rechtfertigt.
Klassischer Deep House, wie ihn Larry Heard oder eben Ron Trent propagierten, trifft in Nicholsons Stücken auf die neue Schule, er versöhnt den verunsicherten Puristen mit den oft esoterisch wirkenden Weltmusikzitaten der „Body & Soul“-inspirierten Kollegen. Seine Arbeiten, sei es solo oder gemeinsam mit Trent als USG und African Blues, verletzen nur selten die House-typischen Genrekonventionen, und doch klingen die Basslines, die dezenten Congas und die warmen Akkorde derart organisch, dass der Hörer sich keineswegs wundern würde, wenn der frühe Stevie Wonder nach dem nächstbesten Break das Mikro ergriffe, um seinem Liebeskummer freien Lauf zu lassen. Das darf man dann ruhig Soul-Jazz nennen und demnächst als African-Blues-Album zu Hause genießen.
Und doch ist es auch Clubmusik, die Nicholson unter die Leute bringt. Gerade die im Zuge des allgemeinen Jazz-Revivals veränderten Hörgewohnheiten der Clubgänger, die Sensibilisierung für Musikalität im überkommen geglaubten Sinne sollten Nicholson entgegenkommen, wenn er heute als Gast der Jazzanova-Crew das WMF beschallen wird.
Unterstützt wird Nicholson von Karl Injex, der bis dato vor allem durch seine Kolumne im britischen Jazz-Hipster-Zentralorgan Straight no chaser sowie sein exzellentes Taurus-Projekt auf Clairaudience überzeugte: Der kleinste gemeinsame Nenner, da ist man sich mit den Gastgebern einig, wird Jazz heißen und tanzbar sein. Eine Nacht der guten Geschmäcker also, und wenn es denn etwas wie schöngeistige Abfahrt geben sollte – hier wird man sie finden. Cornelius Tittel
Heute ab 22 Uhr im WMF, Johannisstr. 19
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen