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UNO schickt Schutztruppe nach Osttimor

■  UN-Sicherheitsrat beschließt einstimmig die Entsendung einer multinationalen Truppe. Indonesien weist die Forderung nach Abzug seiner Militärs zurück. UN plant Abwurf von Lebensmittelpäckchen über Osttimor

Berlin (taz) – Der UN-Sicherheitsrat hat gestern Morgen nach 15-stündiger Debatte einstimmig die Entsendung einer multinationalen Schutztruppe nach Osttimor beschlossen. Damit soll die Gewalt, mit der proindonesische Milizen die südostasiatische Inselhälfte seit knapp zwei Wochen überziehen, beendet werden.

Australiens Regierung, die 4.500 Mann zu der voraussichtlich über 7.000-köpfigen Friedenstruppe beisteuern will, hatte zuvor die von UN-Generalsekretär Kofi Annan angebotene Führungsrolle angenommen. Die mit einem umfassenden Mandat „für alle notwendigen Maßnahmen“ ausgestattete multinationale Truppe soll „so schnell wie möglich von einer UN-Friedenstruppe ersetzt werden“, heißt es in der von Großbritannien eingebrachten Resolution. Der Einsatz militärischer Zwangsmaßnahmen gegenüber den Milizen oder gar dem indonesischen Militär ist damit legitimiert. Australiens Außenminister Alexander Downer rechnet mit dem Eintreffen der ersten Soldaten in Osttimor spätestens am Montag.

Bereits seit Dienstag verhandeln Abgesandte Indonesiens und Australiens in New York über die Details des Truppeneinsatzes, die noch nicht näher bekannt sind. Die in Osttimor stationierten rund 25.000 indonesischen Soldaten, die in den letzten Tagen nichts gegen Mord und Vertreibungen unternahmen, sondern sich sogar daran beteiligten, sollen laut Indonesiens Außenminister Ali Alatas der internationalen Truppe beratend zur Seite gestellt werden. Forderungen nach einem sofortigen Rückzug des indonesischen Militärs wies Alatas zurück.

Indonesische Militärführer versprachen gestern, mit der Schutztruppe zu kooperieren. „Wir werden alles respektieren, was die UNO entscheidet, und mit ihr kooperieren“, sagte unmittelbar nach der New Yorker Entscheidung des Weltsicherheitsrates Militärsprecher Sudrajat in Jakarta. Osttimors indonesischer Militärführer Kiki Syahnakri sagte, er wolle der multinationalen Schutztruppe das Kommando übergeben.

Dagegen kündigte der Milizenführer Filomeno Kornai vom „Kampfkommando für die Integration“ Widerstand gegen die Truppe an. Seine Gruppe werde die Herzen der einrückenden Soldaten essen, drohte er. Ein Berater des indonesischen Präsidenten B. J. Habibie sagte, es könne gezielte Gewalt gegen australische Soldaten geben. Ein UN-Mitarbeiter berichtete aus Dili, die Milizen hätten begonnen nach Westtimor abzuziehen. In Osttimors zerstörter Hauptstadt Dili war es gestern relativ ruhig. Nur vereinzelt waren Schüsse zu hören.

An der Truppe wollen sich neben Australien auch Neuseeland, Kanada, Südkorea, die Philippinen, Portugal, Großbritannien und Frankreich mit größeren Kontigenten beteiligen, während Singapur und Thailand kleine Einheiten und Malaysia eine unbekannte Zahl von Soldaten angeboten haben. Die USA wollen in erster Linie logistische Unterstützung leisten. Deutschland will sich laut Bundesaußenminister Joschka Fischer an der Rückführung der Vertriebenen und dem Wiederaufbau „nach Kräften beteiligen“.

Möglicherweise noch heute soll ein erstes Flugzeug Hilfsgüter für die schätzungsweise mehreren hunderttausend Flüchtlinge nach Osttimor bringen. Bis gestern weigerten sich die Militärführer allerdings, Sicherheitsgarantien für den Flughafen in Dili zu geben. Hilfsorganisationen trafen deshalb auch Vorbereitungen zum Abwurf von Lebensmitteln aus der Luft. Sven Hansen

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