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Herr Tengelmann tritt zurück

Einzelhandels-Gigant Erivan Haub lässt seine Söhne ran: Die sollen die angeschlagenen Filialketten mit der Konkurrenz fusionieren – vielleicht mit Edeka  ■   Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Erivan Karl Haub, Sohn eines Bauern, ist heute einer der reichsten Männer weltweit. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes sagt ihm rund sechs Milliarden Mark Privatvermögen nach. Haubs Startchancen waren gut: Seine Mutter entstammte der Familie Schmitz-Scholl-Tengelmann, der die gleichnamige Handelskette gehört. Nachdem der heute 66-jährige Haub selbst das Ruder übernommen hatte, baute er die Lebensmittelkette zu einem riesigen Filialunternehmen und zum momentan fünftgrößten Lebensmittelkonzern Deutschlands aus. Doch selbst ein Umsatz von 53,2 Milliarden Mark im Geschäftsjahr 1997/98 schützt nicht vor ernsten Problemen.

Das Familienoberhaupt zieht sich nun ab dem Januar 2000 zurück und überlässt seinen Söhnen das Geschäft. Aus dem Hintergrund heraus wird Haub die anstehenden drastischen Veränderungen in dem Konzern mit 206.000 Beschäftigten beobachten. Das Familienunternehmen muss einige seiner bekannten Ladenketten wie Tengelmann, Kaiser's, Grosso und Magnet sanieren, da sie Verluste bringen. Deshalb will Haub sie zum Teil verkaufen – streitet aber ab, sich ganz zurückziehen zu wollen. Gestern teilte Tengelmann mit, mit der Nummer Drei der Branche, Edeka, über das Zusammenlegen der Filialsysteme zu verhandeln. In Europa steht Tengelmann auf Platz Zehn.

Nach Angaben von Unternehmenssprecherin Jasmin Bird steht bei der Umstrukturierung keiner der rund 21.000 Arbeitsplätze in den 1.455 betroffenen Filialen auf der Abschussliste. Zu Einsparungen könne es aber durchaus in der Verwaltung kommen. In den vergangenen Jahren verbuchten die Ketten Verluste von rund 200 Millionen Mark, die zum Teil durch die zu schnelle Expansion in Ostdeutschland zustande kamen.

Allgemein gehen die Umsätze im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel seit sechs Jahren zurück – unter anderem wegen der gesunkenen Realeinkommen der VerbraucherInnen. Hinzu kommt ein gnadenloser Preiskampf unter den Großen der Branche, die sich mit Billigangeboten gegenseitig unterbieten. Die Auslagerungsstrategie bei Tengelmann gilt gleichzeitig als Reaktion auf die Expansion des US-Kette Wal-Mart nach Deutschland. Der weltgrößte Handelskonzern rüttelt die einheimische Konkurrenz kräftig durcheinander.

Ab 2000 werden die Haub-Söhne Karl-Erivan und Christian die Leitung des Unternehmens übernehmen und die Konzentrations-Strategie umsetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Förderung der Marken Plus, der Obi-Heimwerker-Märkte und der Ketten Takko und KiK, die unter anderem Factory-Outlet-Center betreiben.

Firmen-Patriarch Erivan Haub wurde nicht nur durch seinen Reichtum und den Kauf des weltweit ältesten Lebensmittel-Filialisten, der US-Kette Great Atlantic and Pacific Tea Company (A&P), bekannt. Kritischen Zeitgenossen nötigte Haub Respekt ab, indem er 1984 Schildkrötensuppen und Froschschenkel aus dem Sortiment verbannen ließ. Seit 1987 hatten phosphathaltige Waschmittel keine Chance mehr bei Tengelmann, ein Jahr später suchte man FCKW-haltige Sprays vergeblich in den Regalen. Der Lohn: 1990 wurde Haub zum „Öko-Manager“ des Jahres gewählt. Das war ihm ein Ansporn: Als der Ölkonzern Shell 1995 seine Bohrplattform „Brent Spar“ in der Nordsee versenken wollte, schloss sich Tengelmann dem von Greenpeace ausgerufenen Boykott der Shell-Tankstellen an. Die Lebensmittel-Lkws fuhren zur Konkurrenz.

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