: Kurz vor dem Ausstieg
■ Was der Beratungsausstieg für Frauen bedeutet, zeigt das Modell Diözese Fulda
Berin (taz) – Der Papst sagt Nein. Das jedenfalls lesen die Auguren aus der vatikanischen Stellungnahme zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Ob die Bischöfe nach dem angekündigten weiteren Schreiben des Papstes noch einen Spielraum haben werden, doch noch Konfliktberatungen durchzuführen, ist nach Ansicht der Generalsekretärin des Sozialdienstes katholischer Frauen, Annelie Windheuser, unwahrscheinlich.
Für die 270 katholischen unter den 1.600 deutschen Schwangerenberatungsstellen wäre weitere Ungewissheit über ihre Zukunft schwerer zu ertragen, als ein endgültiger Ausstiegsbeschluss. Nun scheint es langsam ernst zu werden, mindestens einzelne, wenn nicht alle Bischöfe werden aus dem staatlichen Beratungssystem aussteigen. Was das bedeutet, kann man an der Diözese Fulda beobachten.
Zwischen Fulda und Frankfurt bestehen gute Verkehrsverbindungen. Auch nach Würzburg und Kassel ist es nicht weit. Gut zu wissen für alle Frauen, die in Fulda ungewollt schwanger werden. Nur 50 bis 60 Kilometer liegen zwischen ihnen und ihrem Recht auf den eigenen Bauch. Das ist ein Fortschritt, schließlich musste frau früher bis nach Holland pilgern. Ein weiterer Fortschritt ist: In Frankfurt, Kassel und Würzburg warten Profis, die die Sache ordentlich erledigen. Diejenigen, die in Fulda nichts damit zu tun haben wollen – und das sind fast alle – können also ruhig schlafen.
Erzbischof Dyba verordnete seiner Diözese bereits 1993 den Ausstieg aus der Schwangerschaftskonfliktberatung. Seitdem werden in den noch verbliebenen drei katholischen Beratungsstellen nur Frauen beraten, die schwanger sind und sich für das Kind entschieden haben. Wer einen Abbruch in Erwägung zieht, kann zu Pro Familia ausweichen – und nur dorthin. „Seit sechs Jahren“, sagt die Beraterin Anne Fleischmann, „sind wir die einzigen in der Diözese, die eine ergebnisoffene Beratung durchführen und einen Schein ausstellen.“
In Fulda sind alle froh, dass es Pro Familia gibt. Pfarrer Burkhard Enners vom Diakonischen Werk zum Beispiel. Er sieht keinen Grund für die evangelische Kirche, Schwangere zu beraten. Kirchen und Wohlfahrtsverbände hätten sich den Beratungsbereich „gut aufgeteilt“. Diese Aufteilung sieht in Fulda de facto wie folgt aus: Die Evangelen beraten psychisch Kranke und Suchtkranke. Die Katholiken beraten Schwangere und Alleinerziehende. Pro Familia berät Frauen, die abtreiben wollen. In Fulda ist für alle gesorgt.
Auch Ludwig Spätling, der Direktor der Fuldaer Frauenklinik, ist „persönlich glücklich“, nicht in dieses Thema „involviert“ zu sein. Keine „sozial indizierten“ Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, habe in Fuldaer Krankenhäusern eine lange Tradition, so der Professor. Weil die Frauenärzte in der Stadt das wüssten, würden sie Frauen mit Abbruchswunsch deshalb umgehend „abfangen und weiterleiten“. Nach Frankfurt, Würzburg oder Kassel. „Es ist wirklich beruhigend zu wissen“, sagt Spätling, „dass einem jemand die Arbeit abnimmt.“ Michaela Kirschner/ Heide Oestreich
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