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Ex-RAF-Mitglied in Wien erschossen

Der ehemalige RAF-Angehörige Horst-Ludwig Meyer ist beim Schusswechsel mit der Polizei getötet worden. Seine Begleiterin wurde festgenommen. Behörden schließen politischen Hintergrund nicht aus  ■   Von Ralf Leonhard

Wien (taz) – Mit Horst-Ludwig Meyer wurde am Mittwoch einer der meistgesuchten Männer Deutschlands in Wien von der Polizei erschossen. Der 43-jährige ehemalige RAF-Angehörige hatte einer Kontrolle Widerstand geleistet und einen Beamten verletzt. Seine Begleiterin Andrea Klump, ebenfalls auf den Fahndungslisten, wurde festgenommen. Über Zweck und Dauer des Aufenthaltes der mutmaßlichen Terroristen in Österreich herrscht noch Unklarheit.

„Ein schweres Kaliber der deutschen Terrorszene“, so der österreichische Innenminister Karl Schlögl, sei der Erschossene gewesen. Meyer wurde die Beteiligung am Mordanschlag auf Siemens-Manager Karl-Heinz Beckurts im November 1986 vorgeworfen.

Zu verdanken hat die Wiener Exekutive ihren Erfolg dem Anruf einer Frau, die Mittwoch früh vor einem Wettbüro in Wien-Donaustadt zwei Verdächtige beobachtet hatte. Offenbar versuchten sie etwas auszukundschaften. Als das Paar von einer Polizeistreife angehalten wurde, soll Meyer die Pistole gezückt haben. Seine Begleiterin holte ein Messer aus der Tasche. Während ihr Kollege per Funk Verstärkung anforderte, versuchte eine Polizistin, die Verdächtigen in Schach zu halten. Die konnten ihr aber die Waffe aus der Hand reißen und versuchten zu entkommen. Die Beamtin hielt darauf einen Motorradfahrer an und nahm auf dem Soziussitz die Verfolgung auf. „Eine eher unübliche Vorgehensweise“, wie Polizeisprecher Klaus Schachner später zugab. Wenige Straßen weiter wurde Meyer von einer inzwischen herbeigeeilten Sondereinheit gestellt, als er versuchte, ein geparktes Auto zu knacken.

Laut Polizeibericht eröffnete er das Feuer auf die heraneilenden Beamten und verletzte einen mit zwei Schüssen ins Bein. In unmittelbarer Nähe eines Kindergartens kam es zu einem hitzigen Schusswechsel. Augen- und Ohrenzeugen berichteten von mindestens zehn Schüssen, bevor ein Agent der Sondereinheit „Wega“ den Deutschen mit einem gezielten Schuss in die Brust tötete. Andrea Klump warf daraufhin ihr Messer weg und ließ sich festnehmen. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Polizei wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Beide hatten gefälschte italienische Pässe bei sich. Andrea Klump, die während des ersten Verhörs beharrlich schwieg, konnte erst gestern von Beamten des BKA, die nach Wien geflogen waren, identifiziert werden.

Was Meyer und Klump in Wien im Schilde führten, ist ebenso wenig bekannt wie ihre Unterkunft. Die ausführliche Einvernahme der Gefangenen hatte zu Redaktionsschluss noch nicht begonnen. Zu klären wird sein, in welche Schlösser die zahlreichen Schlüssel passen, die sichergestellt wurden. Was Umfeld und Bezugspunkte der mutmaßlichen RAF-Mitglieder in Österreich betrifft, tappen die Behörden im Dunkeln.

Die bisher einzige große RAF-Operation in Österreich, die Entführung des Textilindustriellen Karl Michael Palme in den Siebzigerjahren, ging auf das Konto einer früheren Generation. Obwohl sich die RAF im Vorjahr bereits glaubwürdig für aufgelöst erklärt hatte, schließt das Innenministerium einen politischen Hintergrund nicht aus. Michael Sika, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, rechnet damit, dass es zwei Tage dauert, bis Klarheit geschaffen wird.

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