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Weihnachtszeit September

Es ist wieder mal so weit: Christstollen und Lebkuchen stehen im Laden. Nur die Nikoläuse zieren sich zurzeit noch  ■ Von Jochen Brandt

Jedes Jahr schüttelt man von neuem den Kopf – es ist schon ein echter Dauerbrenner im Sich-drüber-aufregen: Der Weihnachtsbaum vom vergangenen Jahr hat gerade mal seine letzten Nadeln verloren, schon ist es wieder soweit. Seit Anfang September gibt es in vielen Supermärkten wieder Spekulatius und Christstollen. Zimtsterne liegen aus, und Tannenzweige zieren die Schokolade. Draußen schwitzt Hamburg noch bei sommerlichen Temperaturen – drinnen weihnachtet es sehr.

„Viel zu früh“, findet Kundin Traude Berg. Die Packung „Dominosteine“ packt sie trotzdem in den Einkaufswagen. „Ich selbst sehe das nicht mehr so streng“, sagt sie. Aber für die Kinder sei es schade. „Denen wird ja die ganze Vorfreude auf Weihnachten genommen“, meint sie. Ihre beiden Enkel dürfen deshalb das Gebäck bis zum Advent auch gar nicht sehen. „Wenn die Kinder kommen, muss ich die Sachen verstecken“, sagt Traude Berg und lacht: „Meine Tochter hat es mir befohlen.“

„Ich bin seit mehr als 40 Jahren im Geschäft“, brüstet sich der Leiter einer Spar-Filiale. „Der Weihnachtsverkauf fängt immer um diese Jahreszeit an.“ Vor allem AusländerInnen, sagt er, würden Lebkuchen, Pfeffernüsse und Christstollen schon jetzt kaufen. „Viele von denen kennen die Sachen noch gar nicht. Für die ist das natürlich interessant.“

Im Supermarkt Toom an der Max-Brauer-Allee in Altona stehen bislang nur ein paar Kisten mit Christstollen. Ansonsten ist von vorweihnachtlicher Stimmung noch nichts zu spüren. „Wir haben die Ware zwar schon auf dem Lager“, sagt Marktleiter Dirk Habenich. Doch wegen des für den September überraschend guten Wetters solle sie dort auch erstmal bleiben. „Weihnachtsgebäck bei über 20 Grad – das ist doch ein bisschen komisch.“ Wenn es kühler wird, komme die Ware aber sofort in den Laden. Denn: „Es lohnt sich auf jeden Fall.“

Das meint auch Clarissa Wischermann, Pressesprecherin der Keks-Firma Bahlsen in Hannover. „Der Anteil des Weihnachtsgeschäftes am Jahresumsatz liegt bei immerhin 20 bis 25 Prozent“, sagt sie. Dabei sei die Produktion auch immer mit Risiko behaftet. Denn die gewürzten Teige müssten bis zu einer Woche liegenbleiben, „damit die Gewürze ihre Wirkung entfalten.“ Kurzfristige Nachlieferungen sind deshalb nicht immer möglich.

„Viele Kunden meinen, dass die Ware früh im Jahr noch frischer schmeckt“, vermutet Toom-Marktleiter Habenich. „Zu Weihnachten“, weiss er, „ist ein Großteil der Kunden das Gebäck schon wieder leid.“ Aber für die gibt es dann immer noch die Weihnachtsmänner aus Schokolade. Die Nikoläuse kommen erst in ein paar Wochen in die Regale.

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