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Press-SchlagDer „kleine Schwarze“

■ Auch Dänemark hat seinen TV-Skandal: Der Fall Wilson Kipketer

Verklagen wegen Beleidigung und Verunglimpfung will der Vorsitzende des dänischen Leichtathletikverbands, Thomas Thomsen, den Fernsehsender TV 2. Wenn der 800-m-Weltrekordler Wilson Kipketer das will. Als undankbarer Schmarotzer wurde der Ex-Kenianer in einem als Satire gemeinten schwarz-weißen Stummfilm des Senders dargestellt, weil er seinen Wohnsitz nach Monte Carlo verlegt hat. „Womit das kohlrabenschwarze Aschenputtel sein eigentliches Ziel erreicht hat“, hieß es in dem Beitrag. „Glücklicherweise“, fuhr der Sprecher fort, „gab es Leute in anderen Ländern, die den kleinen schwarzen Mann mit dem über Wasser hielten, was man Sozialhilfe nennt.“ Das habe „der kleine schnelle Junge“ so schön gefunden, „dass er die Beine in die Hand nahm und in das kleine nördliche Land mit den freundlichen Menschen rannte“. Kipketer war als 17-Jähriger vom dänischen Sportbund eingeladen worden, im Lande zu studieren und sich sportlich weiterzuentwickeln. Sozialhilfe hat er zu keinem Zeitpunkt erhalten.

Die Boulevardzeitung Berlingske Tiden verlieh TV 2 den Preis für den „dümmsten TV-Beitrag des Jahres“. Die liberale Politiken sieht „die Grenze dessen, was man mit der Satire als Alibi zulassen kann, um mehrere hundert Meter überschritten“. TV-Sportchef Ole Henriksen will sich jedoch nicht entschuldigen. „Der Knackpunkt ist doch Kipketers merkwürdige und unanständige Vorgehensweise. Erst nimmt er die Gastfreundschaft hier wahr, und wenn er dann berühmt wird und Steuern bezahlen soll, zieht er Leine.“ Kipketer wartete wie jeder andere im Land ansässige Ausländer sieben Jahre, bis er die dänische Staatsbürgerschaft bekam, und berühmt ist er spätestens seit 1995, als er bei den Weltmeisterschaften in Göteborg gewann. Vier Jahre, in denen er seine Steuern brav an den dänischen Fiskus bezahlte.

Das, was Politiken ein „exemplarisches Beispiel für Rassismus und Neid“ nennt, verteidigt TV 2-Chef Jörgen Flindt Pedersen damit, dass es „zu wenig Satire gibt“ im dänischen Fernsehen. „Angesichts seiner Steuerflucht muss sich Kipketer damit abfinden, dass es eine Debatte gibt.“ Leichtathletikchef Thomas Thomsen hat indes Verständnis für Kipketers Umzug nach Monaco: „Es haben schon viele dänische Sportler ihren Wohnsitz aus Steuergründen ins Ausland verlegt. Aber noch nie hat es einen solchen Vorwurf beispielsweise für einen weißen Mann, der einen Tennisschläger schwingt, gegeben.“ Unter dem Strich, so Thomsen, habe der dänische Sport an Kipketer wesentlich mehr über Sponsorengelder verdient, als er dem Staat an Stipendien gekostet habe.

Reinhard Wolff

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