: Vom Rechtsweg zum Rechts-Weg
Amtsrichter Ronald Schill redet vor der rechts-konservativen Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft ■ Von Andreas Speit und Kai von Appen
Wieder ein Skandal um den berüchtigten Amtsrichter Ronald Schill: Den Juristen zieht es offenbar langsam offen vom Rechtsweg auf den rechten Weg. Am 1. Dezember steht der Amtsrichter als Referent bei der rechts-konservativen „Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ SWG auf dem Programm. Thema seines Vortrages: „Die Qualität und die Probleme des Rechtsstaats – eine persönliche Bewertung aus richterlicher Praxis.“ Schill ist in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner überzogegen Urteile aufgefallen, gegen ihn liegen mittlerweile zwei Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung vor.
Die SWG hat sich seit über 35 Jahren der „konservativen“ Bildungsarbeit im „vorpolitischen Raum“ verschrieben. Gegründet wurde die SWG im April 1962 vom damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Arthur Mißbach und dem ehemaligen Chefredakteur des „Deutschen Wortes“, Hugo Wellems. Beide machten bereits während der NS-Zeit Karriere. Mißbach als Mitglied der NSDAP, wo er 1935 das Goldene Abzeichen erwarb, Wellems als Referent im „Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda“.
1986 verlegte die Gesellschaft ihren Vereinssitz von Alzenau in Unterfranken nach Hamburg, wo sie über die Redaktion des „Ostpreußenblattes“ zu erreichen ist. Die enge Verflechtung knüpfte Wellems. Bis zu seinem Tod 1995 war er Chefredakteur der Wochenzeitung der Landsmannschaften Ostpreußens sowie SWG-Vorsitzender. Als SWG-Stellvertreter stand ihm zeitweilig der Vize-Chef der rechten „Republikaner“, Emil Schlee, zur Seite.
Nach Wellems Tod übernahm Brigadegeneral a D. Reinhard Uhle-Wettler den SWG-Vorsitz, der sowohl die extrem-rechten Parteiaufbauversuche der „Deutschen Partei“ und der „Deutschen Sozialen Union“ unterstützte, als auch regelmässig als Ex-Bundeswehroffizier öffentlich gegen das „US-amerikanische Umerziehungsprogramm für die besiegten Deutschen“ wetterte.
Im April 1998 trat Uhle-Wettler als Referent bei der „Gesellschaft für Freie Publizistik“ (GfP) auf. Die 1969 gegründete GfP wird vom früheren NPD-Chefideologen Rolf Kosiek geleitet, der diverse Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppen und Verlagen pflegt. Laut Verfassungsschutzbericht des Bundes-Innenminsteriums gilt die GfP als „mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereinigung“.
Gelegentlich führen SWG und GfP auch gemeinsame Veranstaltungen durch. Bei der SWG traten fast alle mit Rang und Namen, die sich in der Grauzone zwischen Konservatismus und Neofaschismus bewegen, auf. So der Geschichtsrevionist Wilfried von Oven, Pressereferent von Goebbels am Ende des Hitler-Faschismus, oder auch der Kriegsschuldleugner Alfred Schickel.
Zur Zeit wird die SWG von dem Hamburger Manfred Backera geleitet, der dem Grundsatz treu geblieben ist, „einen Beitrag zur Festigung eines gesunden Gemeinwesens (..) zu leisten, um zu verhindern, dass Deutschland zum Experimentierfeld von Kräften wird, die die Substanz des Volkes (...) bedrohen.“)
Schon lange gibt es Anzeichen dafür, dass sich Schill durch seine Extrem-Urteile und Auffassungen für eine Polit-Karriere am rechten Rand anbieten könnte. So verdonnerte er kürzlich eine Rot-Floristen wegen angeblicher Nötigung eines Polizisten zu 16 Monaten Knast ohne Bewährung, um den „Chaoten und Verbrechern“ einen Denkzettel zu verpassen. Einen Inder schickte er zweieinhalb Jahre hinter Gitter, weil er Angaben in seinem Pass gefälscht hatte. In Talk Shows wetterte Schill über seine Richter-KollegInnen, die ein „Herz für Verbrecher“ hätten und setzte sich unverblümt für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein.
Gerichtssprecherin Sabine Westphalen mochte zu dem geplanten Auftritt Schills „derzeit keine Stellungnahme“ abgeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen