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Der Phantomias der Mobilisierungsoffensive

■ Der gewisse SPD-Spitzenkandidat, der nicht plakatiert werden soll, gibt sich kämpferisch. Nur wofür kämpfen er und seine Partei? Jetzt soll ein neues Logo den Wahlsieg im Oktober retten

Zwölf Uhr. Nicht zur Geisterstunde. Zur Mittagszeit. Ein Luftzug weht in das Sitzungszimmer der SPD-Parteizentrale in Wedding. Die Journalisten unterhalten sich weiter – es ist ja auch nur der Spitzenkandidat der SPD, der da kommt, ein Phantom, das auf den Wahlplakaten der Partei nicht mehr erscheinen darf. Auf der imaginären Brust, da, wo sonst das Herz schlägt, das rote, hängt eine Plakette mit der Aufschrift. „Für Berlin. Wir kämpfen!“ Bitte das Ausrufezeichen beachten!

Die SPD will noch mal angreifen. Kämpferisch hat sie deshalb gestern eine „Mobilisierungskampagne“ gestartet. Der Slogan „Für Berlin. Wir kämpfen!“ soll das Plakat des Spitzenkandidaten ersetzen. Doch das soll keinesfalls als Misstrauensbeweis gegen ihren Spitzenkandidaten verstanden werden. Also sagt der Spitzenkandidat: „Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, das Wahl-Schlussplakat mit mir zu machen. Nicht im Traum darauf gekommen. Nicht mal im Traum.“

Auch sonst scheinen die Träume unseres Phantoms nicht gerade ergiebig zu sein. „Ich denke nicht im Traume daran“, sagt es, „die Wahlen aufzugeben. Nicht im Traum.“ Und auch im wachen Zustand nicht: „Ich bin überhaupt nicht bereit zu akzeptieren“, fährt es fort, „dass durch die schlechten Ergebnisse der Wahlen im Saarland, in Thüringen und Sachsen die Wahl in Berlin für die SPD erledigt ist.“ Das soll wohl heißen: Der Spitzenkandidat hat sich zwar verdünnisiert, sozusagen. Aber die SPD, sag bloß, tritt noch mal an!

Von dem Phantomisierten selbst stammt der Vorschlag mit dem Slogan. Sagt er jedenfalls: „Ich habe den Mobilisierungsvorschlag gemacht.“ Und damit es auch wirklich jeder glaubt, nochmal: „Ich habe den Vorschlag gemacht.“ Allerdings räumt er ein: „Die vier Worte stammen von Peter Strieder. So knapp wie er hätte ich das nicht hinbekommen.“

Um auch wirklich durchschlagenden Erfolg zu haben, sagt Phantomias, und zur Sicherheit liest er dabei mit toller Betonung vom Blatt ab: „Wir werden unsere Anstrengungen ver-dop-peln.“ Er wolle, dass die SPD in Berlin „alles auf eine Karte setzt“. Also noch eine Karte mit Wahlversprechen, wie sie Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf verwendet hat? Aber will die Berliner SPD überhaupt etwas versprechen? Auf einmal sagt unser Wegge-x-ter: „Die CDU weiß keine Alternative zu unserer Politik.“ Ach, Moment mal. „Unsere Politik“. Haben wir was verschlafen? Geht es jetzt etwa um die Politikvorstellungen der SPD? Nein, geht es nicht. Das war nur ein kämpferischer Angriff gegen die CDU, ein Teil der Mobilisierungsoffensive der SPD. Zum Schluss sagt der Spitzenkandidat –und wir schließen uns an: „Ich danke Ihnen für die Geduld“. Markus Franz

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