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„Kalif von Köln“ angeklagt

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Metin Kaplan, Chef des Verbandes „Kalifsstaat“. Er soll für die Ermordung seines „Gegenkalifen“ verantwortlich sein  ■   Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Generalbundesanwalt Kay Nehm hat Anklage gegen den so genannten „Kalifen von Köln“, Metin Kaplan, erhoben. Dies wurde gestern in Karlsruhe bekannt. Kaplan wird Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und öffentliche Aufforderung zu Straftaten vorgeworfen.

Kaplan steht an der Spitze des in Köln sitzenden Verbandes „Hilafet Devleti“ (Kalifatsstaat). Der Verband wurde 1984 von Kaplans Vater als „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden“ gegründet. 1995 übernahm Metin Kaplan die Führung der Organisation, die nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft (BAW) die Umwandlung insbesondere der Türkei in einen Gottesstaat mit Geltung des islamischen Gesetzes (Scharia) anstrebt.

Mitte 1996 spaltete sich der Verband, als der Berliner Generaljugendemir Halil Ibrahin Sofu von seinen Anhängern zum Gegenkalifen ausgerufen wurde. Hintergrund waren fallende Mitgliedszahlen, die die Autorität von Vater und Sohn Kaplan beeinträchtigten. Von einst 3.000 Mitgliedern sollen dem Kalifatsstaat zum Zeitpunkt der Spaltung nur noch 1.000 Anhänger geblieben sein.

Als Reaktion, so die Anklage, habe Kaplan innerhalb der Organisation eine „kriminelle Vereinigung“ gegründet, um seinen Führungsanspruch gegenüber den Abweichlern auch mit Gewalt durchzusetzen. Tatsächlich wurde der Gegenkalif am 8. Mai 1997 von drei bislang unbekannten Personen in Berlin erschossen. Kaplan hatte zuvor in seiner Verbandszeitung geschrieben: „Was passiert mit einer Person, die sich, obwohl es einen Kalifen gibt, als einen zweiten Kalifen verkünden lässt? Dieser Mann wird zur Reuebekundung gebeten. Wenn er nicht Reue bekundet, dann wird er getötet.“ Derartige Äußerungen Kaplans wertete die BAW als Todes-Fatwa und als für die Mitglieder des Verbandes „verbindlich“.

Im März dieses Jahres war Kaplan in Köln von einem GSG-9-Kommando festgenommen worden, am 20. August haben die Bundesanwälte Anklage beim Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Dass die Anklageschrift dem 46-Jährigen nicht „Anklage zum Mord“ vorwirft, zeigt allerdings, dass die bisherigen Ermittlungen nicht sehr viel für eine unmittelbare Tatbeteiligung Kaplans erbracht haben dürften.

Mit Kaplan wurden zwei weitere Führungsmitglieder des Kalifatsstaats angeklagt, sind aber noch auf freiem Fuß. Beide sollen Mitglieder in der von Kaplan geführten „kriminellen Vereinigung“ gewesen sein. Bereits mehrmals demonstrierten Kaplan-Anhänger in Karlsruhe für die sofortige Freilassung ihres Oberhaupts.

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