: taz-LeserInnen-Aktion
■ Wir haben euch unsere Stimme nur geliehen
Nach einem Jahr Rot-Grün fragen wir: Was halten Sie heute von unserer Regierung? Geben Sie Ihre Stimme noch einmal ab. Kurze Antworten an die taz, Stichwort Rot-Grün, Kochstr. 18, 10969 Berlin; Fax: (0 30) 2 51 93 16; E-Mail: lesertaz.de
Ich bin Österreicher und habe fast kein Wahlrecht. Ich lebe seit 20 Jahren in Deutschland und bin froh, dass ich in Österreich nicht wählen muss. Es ist immer schwer, sparen zu müssen. Nach einem Jahr schon geht dem Wähler die Puste aus, wenn er bemerkt, dass mit „Sparen“ auch er gemeint ist. Ich finde, die machen eine sehr mutige und anständige Arbeit.
Albert Frank, o. O.
Ihr fragt, was aus dem rot-grünen Aufbruch und der Euphorie wurde? Ich habe grün gewählt, leidenschaftslos, nicht euphorisch und schon gar nicht den großen Aufbruch erwartend. Die Verschlimmerung musste verhindert werden. Da tut sich was, teilweise.
Ihr fragt, ob die Stimmung schlecht ist, weil die letzten Wahlen so desaströs gewesen sind und ob ich Leser noch einmal grün wählen würde. Ich bin besorgt, habe keine schlechte Stimmung, werde wieder grün wählen. Ich will mehr unterstützen als nur durch Wahlen und habe deshalb letzte Woche eine Mitgliedschaft bei den Grünen beantragt.
Knut Dohrmann, Hamburg
Die versprochene furiose Inszenierung wurde abgesetzt. Stattdessen Komödienstadl. Es treten auf: die tapsig-trotzige Gunda Röstel, die kecke Kerstin Müller, der wortgewaltige Rezzo Schlauch – Figuren, deren Habitus daran gemahnt, dass Politik ihr Metier nicht ist. Wenn Joschka nun den letzten Akt einläutet und seine Staffage neu gruppiert, deutet er an, was sein kalter Blick – von Herlinde Kölbl so treffend eingefangen – schon seit Jahren verspricht: Politik ist ein schmutziges Geschäft, nix für Dilettanten und Heulsusen. Der Herbst des Patriarchen dürfte zusammenfallen mit der Eiszeit für die Partei.
Horst Schäfer, Frankfurt
Obwohl ich links von der jetzigen Regierung gewählt hatte, habe ich mich über den Wahlausgang 1998 gefreut. Doch der Unterschied zwischen alter und neuer Regierung hat sich als viel kleiner herausgestellt, als ich dachte; am schlimmsten: Die BRD hat ihren ersten Krieg geführt. AKWs bleiben unangetastet, es wird Politik für Unternehmer gemacht.
Gertrud Moll, Stuttgart
Mein Vorschlag zum Sparpaket: Henkel & Co. stellen sich zur Direktwahl. So bliebe uns der ganze Berliner Wasserkopf und so manches „Jetzt tun wir mal so als ob“-Gehabe erspart. Bis dahin: ungültig wählen.
Elke Bergsma, Gießen
Leider haben wir den Parteien unsere Stimmen eben nicht nur geliehen. Sonst würde ich meine wiederhaben wollen. Knast für Flüchtlingskinder, Abschiebungen ohne Ende, Sozialabbau und dergleichen mehr. Da kann die taz die PDS schlecht machen wie sie will, sie ist die Partei, die sich noch für diese und andere mir wichtige Punkte einsetzt, und deshalb werde ich von nun an der PDS meine Stimme geben.
Moritz Müller, Langenfeld
Wahrscheinlich wird es der Regierung so ergehen wie kürzlich der rumänischen Maschine. Fünftausend Meter freier Fall in Richtung Paradies der Werktätigen. Maschine im letzten Moment kurz über dem Grund abgefangen, Pilot und Copilot überleben, aus welchen Gründen auch immer, 38 Flugbegleiter, überwiegend sozialdemokratische Länderminister, stoßen dagegen ein Loch in die Decke und werden in den parteipolitischen Innendienst strafversetzt. Die Flugsicherung der CDU verweist nach Abschluss des die Massen begeisternden Manövers auf die krassen Fehler des Piloten und reicht in Karlsruhe Klage wegen Gefährdung des Bodenpersonals ein. Gebe Gott, dass der hannoversche Pilot zwischendurch mal auf seinen Höhenmesser blickt.
Georg Afanasjew, Reutlingen
Ich habe Grün gewählt – und zwar als Gegengewicht gegen Schröder, den ich für unseriös hielt (Zaun des Kanzleramts: „Ich will hier rein.“). Ich danke J. Fischer für seine Friedensbemühungen, Herrn Eichel fürs Sparen, halte auch etwas von Frau Däubler-Gmelin, auch von Otto Schily, Michael Naumann, Riester und finde, dass außer dem Kanzler und Lafontaine gute Leute zusammen sind. Schade ist dabei nur, dass die Parteiführung alles kaputt macht.
Rosvitha Bulle, Halstenbek
Zugegeben, glücklich bin ich nicht mit vielen Entscheidungen der Bundesregierung. Aber allen NörglerInnen zum Trotz, sie war und ist die einzige Möglichkeit, mit den großen Herausforderungen des sozialen und ökologischen Wirtschaftens jenseits von Wachstum fertig zu werden.
Meine Stimme bleibt also grün, denn wer die Wut verliert, verliert auch das Interesse an Veränderungen.
Ralph O. Schill, Tübingen
Ich habe in den letzten 20 Jahren nur Grün gewählt; die SPD ist für mich nie wählbar gewesen. Bei der letzten Bundestagswahl habe ich CDU und Grün gewählt, ich wollte Stoiber als Kanzler und J. Fischer als Außenminister. Statt dessen kam die leistungsfeindliche SPD an die Macht, und ich kann nur noch kotzen. In den USA werden drittklassige Schauspieler Präsident, bei uns wird ein viertklassiges Model Bundeskanzler.
Günter Wichary, Worpswede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen