: Das Gymnasium soll klein und fein sein
■ Die Länder im Süden setzen auf ein elitäres Bildungsmodell und mehr Wettbewerb
Alle halbe Jahre wird es eng an Edmund Stoibers Kabinettstisch. Am Oval aus edlem Kirschholz drängeln sich dann nicht nur die 18 bayerischen Minister und Staatssekretäre. Abwechselnd kommen die Regierungsmitglieder aus dem benachbarten Baden-Württemberg, aus Sachsen oder Thüringen zu gemeinsamen Kabinettssitzungen zusammen.
„Die Treffen der Kabinette sind eher symbolisch“, wiegelt ein enger Mitarbeiter Stoibers ab, „man darf das nicht überschätzen.“ Dennoch gilt: In einigen Bereichen arbeiten die Südstaaten eng zusammen. Besonders gut läuft die Kooperation in der Bildung.
So führte auch die erste Dienstfahrt von Hessens Kultusministerin Karin Wolff (CDU) nach München. Ende Juli erkundigte sich Wolff dort bei Monika Hohlmeier über bayerische Bildungsspezialitäten. „Wir streichen jetzt nicht alle Schulen weiß-blau an“, wiegelt Ministerin Wolff ab. Aber schon die gemeinsame Erklärung zeigte, woher der Wind weht: Wichtig war den Ministerinnen „die begabungsgerechte Förderung der Kinder in einem differenzierten Schulsystem“ – das ist Bayern pur.
Das größte Flächenland unterscheidet sich nämlich vom Rest der Bundesrepublik durch seine Absolventenstruktur: Nur 15 Prozent bekommen das Abi. Mit dem Hauptschulabschluss verlässt ein Drittel der Absolventen die Schule. Hessens Hauptschülerzahlen bewegen sich dagegen um 20 Prozent – bislang. Wolff will nun die Hauptschulen stärken. Wo das hingeht, ist klar: Den hessischen CDUlern ist der Anteil ihrer Abiturienten (über 22 Prozent) zu hoch. Das Gymnasium soll wieder klein und fein werden. Um dies zu erreichen, muss man die hermetische Dreiteilung in Haupt- und Realschule sowie Gymnasium als attraktiv verkaufen.
Wenn sich im Oktober die Kultusminister aller Bundesländer treffen, um die gymnasiale Oberstufe straffer zu organisieren, steht Stuttgart Pate. Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hat verlangt, die Wahlfreiheit auf dem Weg zum Abi einzuschränken. Künftig sollen fünf statt vier Fächer im Abitur Pflicht sein. Selbst in der Hochschulpolitik, wo Bayern, Badenser und Württemberger oft unterschiedliche Auffassungen haben, wollen sie im Prinzip das Gleiche: mehr Wettbewerb.
In einem Papier zur Neuordnung des Föderalismus schlagen die Südstaatler vor, die Rahmengesetzgebung des Bundes aufzuheben. Das hieße: Sowohl der baden-württembergische Weg privater Unis, an denen Studieren ruhig auch Geld kosten darf, als auch der staatlich finanzierte Fachhochschulboom der Bayern hätte seinen eigenen Wert. Ob dadurch die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen in Gefahr gerät, wurde bisher nicht diskutiert.
Christian Füller, Berlin
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