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Bei den Grünen formiert sich der Machtkampf

■  Der Koalitionsausschuss soll zum Machtzentrum der Grünen werden – soweit herrscht zwischen Vorstandssprecherin Antje Radcke und dem „virtuellen Vorsitzenden“ Joschka Fischer Einigkeit. Aber wenn es um konkrete Themen, Modelle und Personen geht, ist es mit der grünen Harmonie schon wieder vorbei

Berlin (taz) – Antje Radcke sieht sich nicht als Vorsitzende auf Abruf. Die grüne Vorstandssprecherin hat in den vergangenen Tagen von verschiedenen Seiten so viel Bestätigung erfahren, dass sie sich nun sehr stark fühlt. So stark, dass sie sogar den selbsternannten „virtuellen Vorsitzenden“ ihrer Partei, Joschka Fischer, stoppen will. Die Führung im Koalitionsausschuss möchte sie nicht dem Bundesaußenminister überlassen.

In dem Gremium sind die Fraktions- und die Parteispitze sowie die drei Bundesminister der Grünen vertreten. Fischer hatte am Montag verkündet, er werde im Gegensatz zu früher regelmäßig zu den Sitzungen kommen und diese auch leiten. Der Ausschuss müsse zum „Machtzentrum der Grünen“ werden, solange es noch kein Präsidium gebe. Weil er als Außenminister so viele wichtige Termine habe, sollten die Treffen künftig in seinem Berliner Amtssitz stattfinden.

Fischer und Radcke sind sich einig, dass das Gremium „das Profil der Grünen in der Regierungsarbeit schärfen“ müsse. Aber bereits wenn es um die Themen geht, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, ist es vorbei mit der Harmonie. Fischer möchte möglichst keine neuen Konfliktfelder in der Koalition mit der SPD aufreißen. Antje Radcke meint dagegen, gerade bei umstrittenen Themen wie der Asylpolitik und dem Atomausstieg sollten die Grünen wieder zu ihren Grundsätzen zurückkehren.

Sie steht auch dem Vorschlag Fischers skeptisch gegenüber, die Trennung von Amt und Mandat abzuschaffen. Eine „teilweise Aufhebung“ hält sie zwar für sinnvoll, aber das komplette Abschaffen dieses grünen Urprinzips würde in ihren Augen dazu führen, „dass auf Jahre hinaus immer derselbe kleine Kreis von Personen die Macht ausüben wird“.

Auch Fischers Vorschlag, zusätzlich zum Amt des Bundesgeschäftsführers noch das eines Generalsekretärs zu schaffen, wird von vielen Grünen skeptisch aufgenommen. Vor allem gegenüber Fischers Wunschkandidaten Werner Schulz gibt es Vorbehalte. Der sächsische Bundestagsabgeordnete hatte bereits als Geschäftsführer der Fraktion keine glückliche Hand bewiesen.

Antje Radcke ist auf Joschka Fischer immer noch nicht gut zu sprechen. Sie wirft ihm vor, mit ihr nicht über seine Pläne zur Reform der Parteistruktur geredet zu haben. Erst als sie ihn am Wochenende um telefonischen Rückruf bat, habe er sie informiert.

Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass Joschka Fischer am liebsten die Berliner Fraktionsvorsitzende Renate Künast und ihren Stuttgarter Kollegen Fritz Kuhn als „seine“ Sprecher der Bundespartei sähe.

Gunda Röstel ist von der ständigen Kritik an ihrer Arbeit so entnervt, dass sie wohl auf dem nächsten Parteitag nicht mehr kandidieren wird. Anders Antje Radcke. Sie will weitermachen – vorausgesetzt, es zeichnet sich für sie auf dem Parteitag eine reelle Chance ab. Voraussichtlich werden die Grünen ihren für März 2000 geplanten Bundesparteitag auf Januar vorziehen. Unklar ist allerdings, ob dort nur über die Änderungen der Satzung oder auch über die KandidatInnen für den neuen Bundesvorstand abgestimmt werden soll.

Die Hamburger Wissenschaftssenatorin Krista Sager, die selbst zwei Jahre lang Sprecherin der Bundespartei war, rät den Grünen, die Trennung von Amt und Mandat unbedingt aufzuheben. Unter den gegebenen Umständen könnten die Sprecherinnen „nicht mehr sein als Reisekader und Kommentierer“. Die stellvertretende Hamburger Bürgermeisterin sieht es als großes Defizit an, dass Röstel und Radcke keine Parlamentserfahrung haben.

Außerdem mache die schlechte Ausstattung des Bundesvorstandes eine gute Arbeit fast unmöglich: „Infos und Unterlagen muss man sich von den Bundestagsabgeordneten holen, damit man überhaupt im Film ist.“ Dies sei ein unhaltbarer Zustand, denn der kleinste Kommentar einer der beiden Sprecherinnen könne „Auswirkungen auf das aktuelle Koalitionsgeschäft haben“.

Unter den gegebenen Umständen hätten Gunda Röstel und Antje Radcke ihre Arbeit in den vergangenen Jahren nicht schlecht gemacht. Beide hätten an Statur gewonnen. Vor allem Gunda Röstel habe „in schweren Zeiten erstaunliches Standing gezeigt“.

Sagers Vorschlag: Die künftigen VorstandssprecherInnen sollten gleichzeitig ein Mandat innehaben, „dann kann sich die Partei das Geld für ihr Gehalt sparen und in die bessere Ausstattung der Geschäftsstelle stecken“.

Tina Stadlmayer

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