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Milizen töten Journalisten bei Dili

In Osttimor melden sich die proindonesischen Milizen mit Angriffen auf westliche Journalisten zurück. Flüchtlinge plündern Lagerhaus der Regierung  ■   Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Nach der wachsenden Euphorie vom Vortag ist in Osttimors Hauptstadt Dili die Anspannung zurückgekehrt. Zwei Vorfälle mit westlichen Journalisten zeigen, dass die von den proindonesischen Milizen ausgehende Gefahr noch längst nicht gebannt ist, auch wenn sie seit Ankunft der multinationalen Schutztruppe am Montag keinen Widerstand geleistet haben. Gestern wurde in Becora, einem Vorort von Dili, die Leiche des niederländischen Journalisten Sander Thoenes gefunden. Der 30-Jährige war Korrespondent der britischen Financial Times in Jakarta und wurde wahrscheinlich von Milizen ermordet.

Nach Angaben seines Fahrers Florindo Araujo seien die beiden an eine mit sechs Männern in indonesischen Polizeiuniformen besetzte Straßensperre geraten. Als er das Motorrad gewendet habe, seien sie von den Männern beschossen und mit Autos gejagt worden, berichtete Araujo gestern laut Agenturberichten in Dili. Während er nach einem Sturz habe in den Dschungel fliegen können, sei der auf dem Asphalt liegende Thoenes erschossen worden.

Ein US-Journalist und ein britischer Fotograf entkamen knapp einem Hinterhalt. Sie konnten fliehen, nachdem ihr Fahrzeug plötzlich bei Dili beschossen wurde. Später wurden sie von einem Hubschrauber der Interfet-Truppen gerettet. Ihr Fahrer wurde jedoch schwer verletzt, und ihr Dolmetscher wird noch vermißt.

Das australische Militär kündigte gestern an, vorerst keine Journalisten mehr nach Osttimor zu fliegen. Begründet wurde dies mit den mangelnden Versorgungsmöglichkeiten. Es gibt in Dili nichts zu essen, kein Trinkwasser, keinen elektrischen Strom und keine medizinische Versorgung.

3.000 Flüchtlinge, die zuvor aus den Bergen zurückgekehrt waren, stürmten gestern in Dili ein Lagerhaus der indonesischen Regierung. Das BBC-Fernsehen zeigte Bilder, wie die Flüchtlinge Säcke mit Reis und Zucker sowie Speiseölfässer davon schleppten. Die indonesischen Bewacher waren von dem Ansturm überwältigt worden. Erst nach einer halben Stunde gelang es australischen Soldaten, die Plünderung zu beenden. Wie die australische Nachrichtenagentur AAP berichtete, retteten Interfet-Soldaten auch einen mutmaßlichen Milizionär im Hafen vor einer aufgebrachten Menge.

Die ersten 150 Mann der Interfet-Truppe landeten gestern in Bacau, wo sich der größte Flughafen Osttimors befindet. 3.000 Soldaten der Interventionstruppe sind inzwischen in Osttimor eingetroffen. Gestern wurden auch erstmals wieder Hilfsgüter aus der Luft abgeworfen.

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