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Etwas hat in der Zone überlebt

■ Auch wenn der Zoni den Kapitalismus noch nicht zum Einsturz bringen konnte: Er arbeitet dran

Der Zoni ist unzufrieden. Das hat er sich anders vorgestellt. Zehn Jahre nach der komischen Revolutionsoper wird er mopsig. Weil es beim Ossi aber zum handgreiflichen Widerstand nicht reicht, leistet er sich nostalgische Gefühle. Man weiß jetzt, wie Softeis schmeckt, die Bananen kommen den Ossis zu den Ohren raus, und es hat sich inzwischen sogar herumgesprochen, dass man Kiwis nicht gießen muss. Ob die Stiftung Warentest ein Produkt für gut befunden hat, interessiert den Ossi nicht, er will wieder seine alten DDR-Produkte, und wenn er im westdeutschen Ausland sein Geld verdient, dann lässt er sich den Bautz'ner Senf und die Spreewälder Gurken eben wie früher als Päckchen nach driiieben zuschicken, diesmal bloß in die umgekehrte Richtung. Wehmütig vermisst der Zoni den Geruch des in Stasigebäuden benutzten Ostinfektionsmittels, und es ist ihm egal, ob er Kopfschmerzen davon bekommt, wenn er zuviel von dem klebrig-süßen Rotkäppchensekt pichelt, denn er trinkt auf die heile und schöne DDR, die er dadurch wiederauferstehen lässt.

Weil derlei vergessene Ostprodukte und andere DDR-Eigenarten in der 50-Jahre-Ausstellung „Einigkeit und Recht und Freiheit – Wege der Deutschen“ in den Augen der Zonis nicht genügend gewürdigt wurden, meldeten sie sich zornig zu Wort. „Klischeehaft“ wäre ihre DDR behandelt worden, als ob sie nicht tatsächlich, wenn nicht sogar noch schlimmer, das zur Karikatur geronnene Klischee gewesen wäre; und als ob die Ossis nicht heilfroh sein könnten, dass in dieser Jubiläumsausstellung die DDR unterrepräsentiert ist; dass also nicht noch mehr lächerliche und abstruse Dinge gezeigt wurden, mit denen sich die Zone schmückte, nicht noch mehr von der Kunst des realen Sozialismus, von den Plakaten zu den Parteitagen, den Modellen für den Ablauf der 1.-Mai-Kundgebungen, den Fahnen „zum Ruhme der besten Betriebe im sozialistischen Wettbewerb“, dem „gekörnten“ Waschmittel „spee color“, den Sitzelementen und Stehlampen, die in der BRD schon schrecklich genug waren. Wobei alles zusammen immer nur eins dokumentiert: das Grauen des kleinkarierten, bürokratisch reglementierten, einengenden und völlig idiotischen DDR-Alltags, der genau die Zombies hervorbringen musste, mit denen man sich heute herumschlagen muss.

Schon nach Ende des Zweiten Weltkriegs bzw. schon lange vorher fing die Misere mit den Zonis an. Als Saul K. Padover in der Abteilung Psychologische Kriegsführung direkt hinter der amerikanischen Front Deutsche interviewte, um sich ein Bild von den Menschen zu machen, von denen niemand wusste, wie sie eigentlich ticken, da wurde Padover mit Eigenschaften konfrontiert, die in der Zone überlebt haben, wie z.B. „Hartherzigkeit“ und dass sie „ständig klagten und jammerten und einander denunzierten. Anteilnahme war ihnen fremd.“ Im Westen wurden die Amerikaner als Befreier gefeiert, in Mitteldeutschland jedoch, der späteren Zone und der damaligen Nazihochburg, „ging es anders zu als im Rheinland. Die Leute waren ausgesprochen feindselig. Überall starrten sie uns kalt und hasserfüllt an.“ Nicht einmal die Russen, die den miesen Teil Deutschlands abbekamen, wollten in der Zone damals den Kommunismus einführen: „Solchen Schweinen den Kommunismus schenken?“ fragte empört ein Genosse Oberst seinen amerikanischen Kollegen. „Wir haben ganz gewiss nicht die Absicht, diesen Leuten ein so nobles Ideal wie den Kommunismus zu bringen.“ Heute weiß man, dass es besser gewesen wäre, hätte man damals auf den Genossen Oberst gehört, und dass die Zonis den Kommunismus völlig vermurkst haben und aus dem noblen Ideal einen spießigen „Cordhütchensozialismus“ (Wiglaf Droste) gemacht haben.

Auch der Kapitalismus passt dem Zonenbewohner nicht mehr, seit es aus dem Geldhahn nicht mehr so munter plätschert wie am Anfang, und deshalb sägt er emsig und unermüdlich an den Grundfesten des Systems. Er ist damit ziemlich erfolgreich, und mehr als die gesamte Arbeiterbewegung es jemals vermochte, bringt er den Kapitalismus erheblich in die Bredouille. Aber auch wenn der Zoni den Kapitalismus noch nicht zum Einsturz bringen konnte, seien Sie sicher, er arbeitet dran. Und er lässt nicht locker, denn der Zoni ist zäh. Aber was kommt danach? Das will man dann doch lieber nicht wissen. Gegen die Ossis muss man sogar den Kapitalismus verteidigen. Klaus Bittermann

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