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Boavista verschmäht Beckmannão

Champions League: Borussia Dortmund besiegt Boavista Porto mit 3:1 und lässt schon zum dritten Mal in acht Tagen alte Fußballkünste erahnen    ■ Von Ulrich Hesse-Lichtenberger

Dortmund (taz) – Wenn nicht noch etwas ganz Unvorhergesehenes passiert, werden am morgigen Samstag an die 800 Meister des Kurzpassspiels einen sehr wichtigen Eintrag im großen Buch der Bestleistungen erdribbelt haben. Seit zehn Tagen treiben nämlich junge Menschen ohne Pause einen Fußball quer durch Deutschland (genauer: von Köln nach München), nur um von diesem Reinhold Beckmann in der „Guinness Show“ dafür belohnt zu werden, dass während der ganzen Zeit nicht ein einziges Tor in der Luft lag und der Ball nie herum.

Einen Mitbewerber um diesen ungemein wichtigen Rekord, so hatte man in Dortmund erwartet, würde Boavista Porto abgeben, Gegner der Dortmunder Borussen am Mittwochabend im zweiten Gruppenspiel der Champions League. Denn das Publikum war eingestellt auf das, was man boshaft, aber nicht fälschlich als typisch portugiesische Schönspielerei ohne Tordrang zu bezeichnen pflegt.

Stattdessen bekam es Gäste zu sehen, die zügig über die Außen spielten und die anfangs träge Heim-Elf eine Dreiviertelstunde lang auskonterten. Folgerichtig gab es zur Halbzeit reichlich Pfiffe im Westfalenstadion – ein deutlicher Hinweis darauf, wer hier zum Beckmann gewünscht wurde. Und dennoch: Am Ende stand wieder einmal ein Heimsieg des BVB – der siebte aus den letzten acht Begegnungen.

Man mag daraus schließen, dass in Dortmund alles beim Alten ist, und könnte das 3:1 über Porto als simple Fortschreibung der Klubgeschichte in Heimspielen seit 1997 lesen: Eine Einzelleistung bringt die nur leidlich verdiente Führung (Möllers formidabler Freistoß, 40. Minute), woraufhin prompt ein Zuordnungsfehler in der Abwehr für den Ausgleich sorgt (durch Rui Bento, 44.). Und in der zweiten Halbzeit ringt die Borussia den Gegner dann mit bekannt starkem Willen und endlich wachen Beinen mühsam nieder.

Das aber täte dem Team Unrecht – und es würde vor allem die wichtigen acht Tage vernachlässigen, die dem Spiel vorausgingen. In dieser einen Woche nämlich, mit den starken Auftritten in Rotterdam und bei 1860 München, hat Dortmund – und das meint Spieler, Fans und sogar Journalisten – endlich den Glauben daran zurückgewonnen, dass die Borussia tatsächlich Fußball spielen kann und wird.

Es ist nicht lange her, da wäre bei der Bekanntgabe der Portoer Aufstellung ein sehnsüchtiges Raunen durchs Publikum gegangen, standen doch Spieler wie Paulo Sousa und Cesar in Reihen der Portugiesen. Namen also, mit denen BVB-Fans den so lange vermissten klugen Spielaufbau aus der Abwehr heraus verbinden. Mittlerweile aber zählt in Dortmund nur noch das Heute, nicht mehr das Gestern. Und Boavistas aktuelle Spieler Sousa und Cesar sind bloß noch Figuren, die zufällig den Namen mit ehemaligen BVB-Größen gemein haben und keinen Anlass für Sentimentalitäten liefern – weil sich nämlich die Überzeugung durchgesetzt hat, dass auch die aktuellen Borussen den schönen (nicht bloß den erfolgreichen) Fußball nach Dortmund zurückbringen.

Die zweite Halbzeit bestätigte den Trend. Nicht immer zwar, aber oft genug: Bobics reaktionsschneller Kopfball zum 2:1 (53.) war nicht etwa ein Kraftakt Marke Schädelprellung, sondern ein dreister Stupser, und der Ball stahl sich bedächtig am Torwart vorbei. Der zweite Treffer des Ex-Stuttgarters zum 3:1 (64.) entsprang einem Spielzug, der nicht nur einen Hackentrick (Reina) und einen Doppelpass (Reina/Evanilson) zu bieten hatte, sondern auch noch einen überlegten Querpass fünf Meter vor dem Tor (Evanilson). Selbst in den goldenen Jahren unter Hitzfeld, als der Fußball in Dortmund neu erfunden wurde, gab es solch brillant herauskombinierte Tore nur an höchsten Feiertagen zu sehen. Deswegen machte sich bei der anschließenden Pressekonferenz auch perplexes Schweigen breit, als Portos Trainer Jaime Pacheco aus heiterem Himmel erklärte, er habe gehört, „dass man in Dortmund nicht viel Vertrauen in den jungen Trainer hat“.

Kein Vertrauen in den 34-jährigen Michael Skibbe? Lieber Herr Pacheco, das war vor zehn Tagen so, ist also eine Ewigkeit her! Pacheco, der selbst erst 41 ist, verweilte noch einen Moment bei seinem Lieblingsthema: „Ich hoffe, dass Skibbes Arbeit Früchte tragen wird.“ Woraufhin ein älterer Herr, der der Veranstaltung als Gast beiwohnte, mit fester Stimme durch den Raum rief: „Keine Frage!“

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