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Im Herbst mach ich den besten Käse

Das „SZ-Magazin“ adelte seinen Munsterkäse als eine der hundert besten kulinarischen Spezereien aus Deutschland, der „Feinschmecker“ rühmte die „fabelhafte Qualität“, und für die „vorbildliche Zusammenarbeit“ von Käserei und Rohmilch-Erzeugern gab es „den 1. Landwirtschaftspreis für unternehmerische Innovation“. Karl-Josef Fuchs produziert in Münstertal im Schwarzwald Spitzenkäse aus der Milch einer beinahe ausgestorbenen Kuhrasse. Ein Interview von Manfred Kriener

taz: Herr Fuchs, warum schmecken Ihre Käse so umwerfend gut?

Karl-Josef Fuchs: Mindestens zwei Drittel Anteil daran haben die Kühe und die Weideflächen, auf denen sie fressen. Sie garantieren mir eine hochwertige Milch. Ein Drittel geht auf meinen eigenen Part als Käser zurück.

Wie bei allen guten Sachen:Rohstoff ist der Star. Woher kommt Ihre Milch?

Wir haben hier im Südschwarzwald Weideflächen in Höhenlagen bis zu 1.200 Meter. Diese Hochflächen werden zum größten Teil extensiv bewirtschaftet. Im Untergrund haben wir keine fetten Böden, sondern Granitgestein, das dafür sorgt, dass alles schön langsam wächst. Sie finden deshalb bei uns keine üppigen Kleeäcker, sondern ein Gemisch aus vielen verschiedenen Gräsern und Kräutern. Das ist ideal für die Qualität, vor allem für die lange reifenden Käsesorten. Wenn ich dagegen Quark oder Joghurt machen will oder Butter, dann brauche ich möglichst fette Milch. Die Qualität der Milch schmecken Sie so richtig erst nach längeren Reifezeiten.

Welche Bedeutung hat dabei die Kuhrasse?

Die ist ganz entscheidend. Es gibt Bergviehrassen wie das Allgäuer Braunvieh oder die Simmentäler, die für solche Höhenlagen prädestiniert sind und gut mit den kargen Verhältnissen zurecht kommen. Eine holsteinische Schwarzbunte hätte bei uns keine Freude. Die brauchen fette Böden und flache Weiden. Wir kriegen unsere Milch von der kleinsten Rinderrasse Europas, der Hinterwälder Kuh. Die gibt im Jahresdurchschnitt etwa dreitausend Liter Milch, eine Schwarzbunte liefert bis zu elftausend Liter. Solche Milchleistungen können Sie aber nicht mit Gras allein erzielen, da brauchen Sie Kraftfutter und volles Rohr Soja. Die Hinterwälder geben nur wenig, dafür aber sehr hochwertige Milch.

Probieren Sie jede Milchanlieferung, und würden Sie den Geschmacksunterschied zu einer Supermarktmilch sofort erkennen?

Die gekaufte Milch ist homogenisiert, das heißt, die Fettkügele sind aufgespalten. Die werden wie mit dem Feuerwehrschlauch gegen die Wand geschossen und dabei gespalten. Meine Milch rahmt auf, wie es früher üblich war, hat obendrauf eine kräftige Rahmschicht. Meine Milch ist roh, sie ist nicht haltbar gemacht, nicht homogenisiert und pasteurisiert und hat den vollen Milchgeschmack. Den Unterschied schmecke ich natürlich.

Lassen Sie auch mal eine Milch zurückgehen, wenn der Geschmack oder der Fettgehalt nicht stimmt oder die Keimbelastung zu hoch ist?

Nein, das muss ich nicht. Ich beziehe meine Milch von zwei Bauern, die mir eine konstante Qualität garantieren. Ich nehme nur ein kleines Kontingent ab, der Rest geht an die Breisgaumilch. Dort wird die Milch regelmäßig gesundheitspolizeilich untersucht. Diese Daten lass ich mir geben, sie werden vom Veterinäramt akzeptiert. Durch dieses spezielle Arrangement bin ich von der Analytik entbunden. Natürlich habe ich im Jahreslauf starke Schwankungen beim Fettgehalt und in der Farbe. Das ist normal, das stört mich aber nicht. Im Mai und im Herbst haben wir einen Superfettgehalt, der dann im Winter während der Trockenfütterung von Heu und Öhmd sinkt. Der Fettgehalt liegt jetzt im Frühherbst bei 4,2 Prozent, im Februar und März geht das auf 3,7 runter. Dann wird der Käse eben etwas heller, das sag ich dann meinen Gästen und Kunden. Da fehlt die Farbe vom Gras und von den Blüten. Die Industrie färbt ihre Milch mit Karotin, damit der Käse das ganze Jahr über gleich aussieht. Warum soll ich so was machen?

Stimmt es, dass der Maikäse der beste ist, wenn die Tiere auf die Weide kommen und wieder voll im Saft stehen?

Der Mai ist der erste Grünfuttermonat, bei uns hier oben wird es fast schon Juni. Da kommt dann Farbe in die Milch, der Käse wird gelb und fett. Aber nach meiner Beobachtung ist die Herbstmilch die beste. Jetzt im Herbst haben wir die kräuterreichste Vegetation auf unseren Weiden. Das merke ich im Aroma der Milch. Ich mach jetzt im September und Oktober die schönsten Käse. Zu kaufen gibt's die aber erst im März. Nur den Obertäler Munsterkäse verkaufe ich schon nach vier Wochen Reifezeit.

Wenn Milch- und Käsequalität so stark von der Fütterung abhängen: Welches sind die größten Sünden im Futtertrog?

Eine hohe Kraftfutterzugabe, also Eiweißrationen wie beim Bodybuilder, sind schlecht für die Käsereimilch. Das gibt viel Milch mit hohem Fettgehalt und wenig Geschmack. Die nächste Sünde ist die Silagefütterung. Silage ist ein Gärfutter, das viel Bakterien enthält. Während der Reifezeit merken sie dann so nach hundert Tagen, wie der Hartkäse allmählich in die Luft geht. Die Bakterien aus der Silage erzeugen Kohlendioxid. Diese Gase rumoren im Käse.

Der Käse furzt ...

Ja, es drückt ihn auseinander, und irgendwann ist er verrissen. Auch Rübenblätter haben eine ähnlich verheerende Wirkung, oder Kohlstrünke.

Wenn die Qualität der Milch stimmt, kann der Käser dann noch viel falsch machen?

Man kann sehr, sehr viel falsch machen. Vieles hängt von Kleinigkeiten ab, gerade wenn ich als Minibetrieb traditionell mit alten Kupferkesseln und von Hand arbeite. Wenn Fett- und Eiweißgehalte in der Milch variieren, muss ich mich in der Käserei auf diese Schwankungen einstellen. Das Hauptproblem sind aber die Milchsäurebakterien. Die frische Milch wird mit diesen Bakterien angereichert. Sie sind letztlich dafür verantwortlich, dass aus dem gepressten Fett- und Eiweißballen – nichts anderes ist ein Käselaib – ein delikates Produkt wird. Sie sorgen für eine Säuerung und für die Umwandlung des Milchzuckers in Milchsäure. Ihre Vermehrung muss kontrolliert ablaufen, ich muss sie mit dem PH-Wert-Messer genau verfolgen. Ich kann sie beschleunigen über eine Temperaturanhebung, und ich kann sie verlangsamen, wenn ich Molke abschöpfe. Diesen Prozess muss ich penibel genau steuern, das ist das A und O.

Welches sind die wichtigsten Unterschiede Ihrer Produktion im Vergleich zum Industriekäse?

Wenn Sie sich die Struktur der Betriebe ansehen, dann fehlen heutzutage mittelgroße Betriebe. Es gibt nur noch Kleinbetriebe, die händisch arbeiten wie ich, und die ganz Großen, bei denen die Herstellung maschinell läuft. Die Großen, wie zum Beispiel die Breisgau-Milch, verarbeiten die Milch von vielleicht zweitausend Landwirten. Ich hab nur zwei Landwirte, die ich gezielt nach Qualitätskriterien und Zuverlässigkeit ausgewählt habe. Dadurch habe ich eine ganz andere Qualitätsaussage im Rohstoff, weil bei mir eben nicht alles Mögliche zusammengeschüttet wird, was dann im Ergebnis immer nur eine durchschnittliche Qualität bringen kann. Zum Zweiten habe ich einen viel engeren Kontakt zu jedem meiner Käse. Ich besitze keine Maschinen, bei mir stehen nur ein Kessel und ein Rührwerk. Drittens besitze ich einen sehr guten Reifekeller, wo ich den Käse ohne ein künstlich erzeugtes Reifeklima langsam sich entwickeln lasse. Das ist eben keine Betonhalle, in die ein Klimaapparat reingestellt wird. Dieser natürliche Reifekeller garantiert mir ähnliche Verhältnisse, wie sie die Käser im Bregenzerwald oder im Allgäu haben. Und ich benutze nur natürliches Labferment, das ich aus Kufstein beziehe.

Wer den Käse probieren möchte: Fuchs ist Chefkoch im Restaurant „Spielweg“ in Münstertal im Südschwarzwald.

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