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Es lebe Omas Kaffeekanne

Zu schade zum Wegwerfen: Der „Umsonstladen“ in Ottensen ist Hamburgs einziges Kaufhaus, in dem die Ware nichts kostet  ■ Von Jochen Brandt

Der kleine Laden im Souterrain ist rappelvoll. Leute drängeln sich vor den Regalen mit Geschirr, Klamotten und Elektrogeräten, andere hocken bei den Bücherkisten. Ein kleiner Junge stürzt sich auf die Spielsachen in der Kinderecke, gleichzeitig bahnen sich Mitarbeiter mit schweren Säcken und Kartons ihren Weg durch die Menge. „Es waren im Laufe der Zeit bestimmt schon 600 bis 700 Leute hier“, freut sich eine Mitarbeiterin des einzigen Geschäfts in Hamburg, in dem die Waren nichts kosten.

Seit Februar gibt es den „Umsonstladen“ in der Nähe des Alto-naer Bahnhofs. „Viele Dinge sind einfach viel zu schade zum Wegwerfen“, erklärt Erich, einer der Gründer. „Einige hätten sicherlich ein schlechtes Gewissen, wenn sie Omas Kaffeekanne einfach wegschmeißen würden“, vermutet er. „Stattdessen bringen sie die Kanne lieber zu uns. Da findet sie wenigstens noch Verwendung.“

Der Laden sei aus den Treffen des Arbeitskreises „Lokale Ökonomie Ottensen“ entstanden, erklärt eine Mitarbeiterin. Den Zwängen von Geld und Arbeitswelt wolle man Freiräume entgegensetzen. Der Umsonstladen ist nur eines von vielen Projekten, mit denen sich die MitarbeiterInnen des Arbeitskreises beschäftigen. „Wir wollen auch Gedankensperren lösen. Die Leute sollen sehen, dass man ohne viel Geld etwas bewegen kann.“

Ein bisschen Geld kostet der Unterhalt des Laden allerdings schon. Da aber außer Spenden nichts eingenommen wird, stehen die zehn Aktiven vom Arbeitskreis nach dem Solidaritätsprinzip für Miete und laufende Kosten gerade – jeder zahlt eben soviel wie er kann“.

Der Mann mit dem schlohweißen Haar gehört zu denen, die dem Umsonstladen etwas bringen. „Einen Weltempfänger und einen Taschenrechner habe ich hiergelassen“, sagt er und lacht. „Meinen Walkman haben die auch bekommen – ich bin sowieso schwerhörig.“ Dem Renter gefällt das Geschäft: „Ich mag die gesellschaftliche Komponente – hier ergeben sich neue Aspekte für den Einzelnen.“ Auch Mitbegründer Erich macht der Kontakt mit den verschiedensten Menschen Spaß. „Einige nehmen den Ladenbesuch sogar nur als Vorwand für ein Schwätzchen.“

Richtige Ladenhüter, wundert sich Erich, habe es bisher noch nicht gegeben. „Die Sachen kosten zwar nichts, aber bei einigen Dingen hätte ich nie geglaubt, dass wir sie loswerden.“ So habe schließlich jemand unbedingt den kleinen Kaktus aus Plastik gewollt, der wochenlang im Laden stand. Auch der Kinderwagen für Zwillinge war kein Problem: „Das passt jetzt aber gut“, habe eine Kundin im achten Monat erleichtert gesagt.

Der Umsonstladen im Nernstweg 10 ist unter 39 90 64 88 zu erreichen. Öffnungszeiten: Dienstag 18.30 bis 20.30 Uhr, Freitag 10.30 bis 16 Uhr.

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