: Sehr fette Rotfedern
■ Erstes Stück des Expo-Projekts Schlachte wird Samstag eröffnet / Sonntag versucht Shitradio Empfangsdraht, uns einen „Tag der Bremer“ aufs Auge zu drücken
Das wäre ein Ort für Verliebte, für Existenzialisten und für Fischfreunde (fette Rotfedern!) – die dicken Stahlpoller auf dem neuen Martinianleger. Hier in der Sonne sitzen und aufs Weserwasser starren und völlig unverkrampft darüber nachdenken, warum Flüsse manchmal bergauf fließen und es gleichzeitig mit der Welt bergab geht! Der neue Martinianleger schaukelt sanft vor der umgestalteten Uferpromenade der Schlachte zwischen Kaisenbrücke und Teerhofbrücke, und dieses erste fertige Schlachtestück wird am Wochenende mit einigem Aufwand der Öffentlichkeit übergeben.
Teilstückeröffnung - in Bremen muss auch sowas ein Event sein und muss am Samstag geadelt werden durch die Anwesenheit von gleich zwei Senatoren (Bautine-Wischer und Häfenjupp-Hattig). Überlassen wir uns für einen Moment der filigranen Prosa der Senatspressestelle. Die Schlachte war in historischer Zeit Bremens Haupthafen. Und jetzt knüpft die Stadt mit viel Power an dieses Kapitel seiner (sic!) maritimen Vergangenheit an. Und siehe, an Schiffen wird es nicht mangeln, die Palette der schwankenden Böden reicht vom ... usw. Kurz: man muss sich eine Palette vorstellen, auf der Böden schwanken, die zu einem Pfannkuchenschiff gehören oder einem (nein, nicht Segelschulschiff, sondern) Tanzschulschiff oder einem Hotelschiff. Das alles sei eine Erlebniswelt, unter einem Dach zu etablieren, dazu angetan, die Entwicklung Bremens mit der Weser zu verbinden (die ja kaum mehr aus Bremen wegzudenken ist).
Die Schlachte ist ein Expoprojekt, das Pfannkuchenschiff wird also frühestens im kommenden Mai anlegen. Doch auch jetzt schon kann man einiges sehen, was sich sehen lassen kann. Erfreulich sind die pennerfreundlichen Buchenholzbänke mit Weserblick, ein wohltuender Gegensatz zu den perversen Produkten moderner Stadtmöblierer, auf denen man nicht mehr liegen kann. Hübsch der neue Pavillon am Martinianleger, der Tickets für die Reedereien Schreiber und Hal Över sowie Würstchen von Stockhinger feilbieten wird. Mineralogen und Geographiestudenten werden enthusiastisch um die verschiedenen Granite und Buntsandsteine herumtanzen – eine Millionen Klinkersteine sollen verbraucht worden sein.
Am Samstag wird man also fröhlich lächelnd über die Schlachte promenieren, huldvoll Senatoren begrüßen, bei der Brebau Ecke Heimlichen Straße einen Gratiskaffee nehmen (Immobilienberatung nur auf Wunsch), im Büdchen von Jens-Uwe Cordes jun. ein Raider verlangen und bekommen (obwohl Twix draufsteht) und sich später eine gute taz schenken lassen (ab 11 Uhr). Und dann stellt man sich an die Ecke Schlachte/Erste Schlachtpforte an der Martinikirche, schaut hoch zum fünften Stockwerk und denkt: Das ist der Ort, wo die gute taz gemacht wird!
Einige Worte wollen hier noch verloren sein zu einem angeblichen und sogenannten Tag der Bremer am Sonntag an der Schlachte. In gewohnt anschmeißerischer Manier klebt sich ein Privatsender, der so ähnlich heißt wie Shitradio Empfangsdraht, an das Schlachtegedöns und hat die Stirn, den Bremern einen „1.Tag der Bremer“ aufs Auge zu drücken. Hat die Rotz-frechheit, zu behaupten, das sei eine tolle Idee, die in den kommenden Jahren nicht mehr wegzudenken sein wird. Und alles ist gesagt über die politische Kultur in der Stadt, wenn gesagt ist, dass Schirmherr des Drecks Bgm. Henning Scherf ist und dass Bgm. Hartmut Perschau gemeinsam mit elf minderjährigen Fußballkindern einen Fackellauf vom Kaufhof zur Schlachte unternimmt. Die Tatsache, dass sich in all dieses Geklebe auch noch ein hiesiger Fußballverein mischt und an einem „Drachenbootrennen“ teilnimmt, rechtfertigt den taz-Sonntagstip: ins Grüne radeln! BuS
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