: Gesundsein 2000
Es war im Mai 1980: 12.000 Ärzte und Schwestern, Medizinstudenten, Therapeuten und Patienten trafen sich, um über die Gefahren der Atomenergie oder medizinische Hilfe für Entwicklungsländer zu debattieren; dazu gab es Yoga-Übungen und Homöopathie. Während zum zeitgleich laufenden offiziellen Ärztetag, einige Straßen weiter, nur einige hundert Teilnehmer kamen, war es beim ersten deutschen Gesundheitstag rappelvoll. Danach entstanden zahlreiche lokale Initiativen, die beharrlich über schwerwiegende Fragen wie Patientenrechte stritten.
Der Mann, der die Gesundheitsbewegung damals maßgeblich ins Rollen gebracht hat, ist Ellis Huber. Kurzzeitig war er von der Bildfläche verschwunden: Im Frühjahr wurde der längjährige Präsident der Berliner Ärztekammer von seinem Amt abgewählt, doch Mitte September trat Huber mit dem Bündnis „Gesundsein 2000“ erneut an die Öffentlichkeit. Als einer der Geschäftsführer der Securvita, Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungsmodelle, ist er jetzt dafür zuständig, für die kleine Betriebskrankenkasse des Trägerunternehmens neue Modelle der Gesundheitsversorgung zu entwickeln.
Zur Zukunftskonferenz, die Securvita in Berlin organisiert hatte, kamen sowohl Alternativmediziner wie Verteter der pharmazeutischen Industrie.
Von der „groß ankündigten“ Gesundheitsreform, sei allein „Flickwerk“ übrig geblieben, das Lobbyisteninteressen bediene, heißt es in dem Manifest des Bündnisses „Gesundsein 2000“. Zu den Eckpunkten der Reformvision gehört die Gleichberechtigung „seriöser“ Naturheilverfahren mit der Schulmedizin ebenso wie die Forderung, dass Ärzte allein nach der Zeit honoriert werden sollten, die sie mit dem Patienten verbringen. Finanziert werden soll solch eine „Medizin in sozialer Verantwortung“ durch eine jährliche, umsatzbezogene Sonderabgabe – die müssten alle Unternehmen zahlen, die wie Tabak-, Mineralöl oder Alkohol-Konzerne besonders gesundheitsgefährdende Produkte herstellen.
Um selbstkritische Ärzte, innovative Krankenkassen und Gesundheitspolitiker zusammenzubringen will das „Gesundsein 2000“-Bündnis eine alte Tradition zum Leben erwecken: Vom 31. Mai bis zum 4. Juni 2000 soll in Berlin erneut ein Gesundheitstag stattfinden. „Die Zeit ist reif für neue Konzepte und gelebte Lösungen“, so Ellis Huber. So schnell kann man wieder im Mittelpunkt stehen.
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